[2.8.2017] Acht Fachhochschulen in Bayern betreiben ein gemeinsam entwickeltes Campus-Management-System. Jetzt wird zudem ein Dokumenten-Management- und Workflow-System eingeführt. Das Ziel: Die hochschulübergreifende elektronische Aktenführung.
Acht bayerische Hochschulen für Angewandte Wissenschaften haben es sich zur Aufgabe gemacht, ein IT-System für lehrbezogene Verwaltungsaufgaben zu entwickeln und zu betreiben. In den Entwicklungsprozess des Campus-Management-System PRIMUSS (Prüfungs-, Immatrikulations- und Studentenverwaltungs-Systems) sind viele Mitglieder der Hochschulen eingebunden: Dozenten, Sachbearbeiter und Studierende als Nutzer beteiligen sich rege daran. Zum PRIMUSS-Verbund gehören die Ostbayerische Technische Hochschule Amberg-Weiden, die Hochschule für angewandte Wissenschaften Coburg, die Evangelische Hochschule Freiburg, die Hochschule für angewandte Wissenschaften Hof, die Technische Hochschule Ingolstadt, die Evangelische Hochschule Nürnberg und die Hochschule München. Neu im Verbund ist die Hochschule Ansbach.
Jetzt wird die Campus-Lösung erweitert. Barbara Rehr, Leiterin der Stabstelle Digitalisierung an der Technischen Hochschule Ingolstadt und Sprecherin des PRIMUSS-Verbundes, erklärt: „Der Verbund entschied sich Ende 2014 ein Dokumenten-Management- und Workflow-System anzuschaffen, das die Arbeit mit den Fachverfahren unterstützen soll. Ziel ist die Einrichtung einer hochschulübergreifenden E-Akte.“
In Fachverfahren eingebettete E-Akte
In einer bundesweiten Ausschreibung konnte sich die Firma codia Software mit ihren Erfahrungen im Hochschulsektor und der tiefen Integrationsfähigkeit der Lösung d.3ecm-eAkte in das Campus-Management durchsetzen und erhielt Anfang 2016 den Auftrag zur Implementierung im PRIMUSS-Verbund. Die Akte soll langfristig in verschiedene Fachverfahren (für Finanzen, Beschaffung, Berichtswesen oder Projekt-Management) eingebettet werden. Startpunkt war die elektronische Studierendenakte in PRIMUSS, da bei den Studierendenunterlagen bei Weitem das meiste Papier anfällt. So trafen 44.000 Bewerbungen auf Erstsemesterzulassung im Wintersemester 2016/2017 in den drei Pilothochschulen München, Ingolstadt und Amberg/Weiden ein. Entsprechend voluminös waren früher die Papierberge, die vor jedem Semester eingingen. Körbeweise holten die Mitarbeiter des Servicecenters für Studienangelegenheiten die Unterlagen allmorgendlich aus der Poststelle und verteilten sie nach einem festgelegten Schema zur Prüfung.
Elektronische Prozesse bei der Bewerberprüfung
Heute wählen sich die Hochschulbewerber im PRIMUSS-Web-Portal ein und können die Unterlagen dort als PDF hochladen. Diese werden auf die nunmehr elektronischen Postkörbe der einzelnen Servicecenter-Kräfte nach bestimmte Zuständigkeitskriterien verteilt. Der Sachbearbeiter nimmt die elektronische Bewerbung entgegen und kann sofort prüfen, ob alle notwendigen Unterlagen vorliegen.
Für jeden Vorgang ist im System eine elektronische Bewerberakte eingerichtet. Aus dieser heraus wird der gesamte weitere Prüfungsverlauf angestoßen, der digital durch mehrere Hände läuft. Es wurden Workflows und Freischaltungen für alle Abteilungen eingerichtet, die an der Prüfung beteiligt sind. So arbeiten alle einen definierten Prozess ab. „Eine elektronische Studierendenakte einzuführen, erfordert die Reorganisation sämtlicher Prozesse und ein umfassendes Change Management“, so die Erfahrung von Barbara Rehr. „Es war für alle Beteiligten eine Schlüsselerfahrung, beim ersten elektronischen Durchlauf vor den leeren Papierpostkörben zu stehen.“
Dokumente über das Portal austauschen
Das Servicecenter gibt während der Prüfung Rückmeldungen über den aktuellen Verfahrensstand ins PRIMUSS-Portal, teilt dem Bewerber mit, wenn weitere Aktionen nötig sind und stellt auf diese Weise auch die Zulassungsbescheide zu. Die gesamte Kommunikation verläuft somit wesentlich schneller. Informationen über das Portal auszutauschen war schon seit Längerem möglich, aber seit Einführung der E-Akte funktioniert darüber nun auch der Dokumentenaustausch in den internen vorbereitenden Prozessen vollelektronisch.
Weil die Bewerbung nur der erste Schritt im Studierendenleben ist, wird die Bewerberakte nach erfolgter Immatrikulation in eine Studierendenakte überführt. Im Wintersemester 2016/2017 waren in allen acht Verbundhochschulen über 40.000 Studierende eingeschrieben. Für jeden führt das Servicecenter der jeweiligen Hochschule eine E-Akte. Sie enthält auch den prüfungsbegleitenden Schriftverkehr. Jeder Studierende muss im Verlauf seiner Hochschullaufbahn 30 bis 40 Einzelnachweise vorlegen, die die Hochschulen in PRIMUSS verwalten.
Aktenzugriff über das Campus-Management-System
Wenn nach den Prüfungen bei der Bekanntgabe der Noten Widersprüche eingelegt werden – ein alltäglicher Vorgang – entsteht dabei oft eine umfangreiche Korrespondenz zwischen Studierendem und Prüfungskommission. Diese in Papierform oder auch nur per E-Mail abzuwickeln, ist wesentlich aufwendiger und auch weniger transparent, als wenn dafür die Akte genutzt wird, in welche die Beteiligten ihre Schriftstücke hoch- und herunterladen. In Ingolstadt haben zu diesem Zweck alle 20 Beschäftigten im Servicebüro sowie ausgewählte Dozenten und Professoren im Rahmen ihrer Berechtigung Zugang auf die E-Akte. Auf diese greifen sie grundsätzlich über PRIMUSS zu und bewegen sich damit in ihrer gewohnten Anwenderoberfläche.
Über die E-Akte und das PRIMUSS-Web-Portal kann das Servicebüro Bewerbern auch Informationsblätter zu Studiengängen zur Verfügung stellen. Gibt jemand den angestrebten Studiengang ein, stellt ihm das System automatisch die Informationen zusammen. „Wir werden in die Studierendenakte künftig noch weitere Verfahren integrieren, die früher papierbasiert abliefen: Anträge auf Praxissemester, Urlaubssemester oder Nachfristen für Prüfungen“, so Barbara Rehr.
Frank Zscheile ist freier Journalist in München.
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Bildquelle v.o.n.u.: PRIMUSS-Verbund, Technischen Hochschule Ingolstadt