[27.10.2022] Zur Bearbeitung der Diesel-Verfahren wurde am Oberlandesgericht Stuttgart ein KI-basiertes Assistenzsystem eingeführt. Dieses soll die elektronischen Verfahrensakten nach wiederkehrenden Merkmalen systematisieren und so die Richterinnen und Richter entlasten.
Im Zuge des so genannten Diesel- oder Abgasskandals sehen sich die Gerichte mit zahlreichen Klagen gegen die Hersteller von Dieselfahrzeugen wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in den Abgasreinigungseinrichtungen konfrontiert. In Stuttgart landen alle Klagen aus dem gesamten Bundesgebiet gegen diejenigen Autobauer, deren Konzernzentralen dort angesiedelt sind. Am Oberlandesgericht Stuttgart ist nun zur Bearbeitung dieser Diesel-Verfahren ein auf künstlicher Intelligenz (KI) basierendes Assistenzsystem eingeführt worden, berichtet das Justizministerium des Landes. Dazu wurde in der ersten Jahreshälfte 2022 ein Prototyp erprobt, der nach weiteren Entwicklungsschritten nun den 17 Richterinnen und Richtern in vier Zivilsenaten zur Verfügung steht, die für Berufungen und Beschwerden in Diesel-Klagen im Rahmen des Abgasskandals zuständig sind. In Baden-Württemberg ist der Einsatz digitaler Assistenzsysteme möglich, weil die elektronische Akte bereits zum Arbeitsalltag in den Gerichten gehört (
wir berichteten).
KI findet wiederkehrende Merkmalen in den Akten
Am Oberlandesgericht Stuttgart waren Ende September dieses Jahres 13.384 Diesel-Verfahren anhängig. Zuletzt waren rund 600 Eingänge pro Monat zu verzeichnen. Diese Fälle lassen sich anhand bestimmter Merkmale Fallgruppen zuordnen. Die dafür entscheidenden Daten aus den umfassenden Schriftsätzen zu extrahieren, um gleichgelagerte Fälle im vorliegenden Aktenbestand aufzuspüren, ist manuell jedoch nur mit größtem Aufwand möglich. An dieser Stelle kommt jetzt das KI-System zum Einsatz, indem es die elektronischen Verfahrensakten analysiert und solche mit gleichgelagerten Sachverhalten einander zuordnet. Diese Systematisierung nach immer wiederkehrenden Merkmalen sei eine schematische Tätigkeit, für die nicht die Energie der Richterinnen und Richter verschwendet werden dürfe, erklärte dazu Baden-Württembergs Justizministerin Marion Gentges. Deren Fokus müsse darauf liegen, die Kategorisierungen zu überprüfen und dann sorgfältige Entscheidungen zu treffen.
Nachnutzung für Justiz-KI bereits vorgesehen
Perspektivisch sei eine Ausweitung des Projekts auf weitere mit der Aufarbeitung der Dieselthematik befasste Gerichte möglich, heißt es aus Stuttgart. Das Projekt könne für künftige Massenverfahren eine Blaupause zur frühzeitigen digitalen Bewältigung darstellen und so einen Meilenstein auf dem Weg zur digitalen Justiz bilden. Das Land Baden-Württemberg treibt den Einsatz dieser Technologie bundesweit federführend als Vorsitzland des entsprechenden Themenkreises der Bund-Länder-Kommission für Informationstechnik in der Justiz (BLK) voran und sorgt dafür, dass länderübergreifende Standards entwickelt werden. KI-Anwendungen sollen einmal entwickelt und in der Justiz in ganz Deutschland eingesetzt werden können. Neben der Erprobung erster KI-Anwendungen für die Justiz liege der Fokus daher auch auf der Erstellung einer bundesweiten Strategie zum KI-Einsatz sowie der Entwicklung der notwendigen Technologie für einen effizienten Einsatz von KI in der Justiz, so das Justizministerium Baden-Württemberg in seiner Meldung.
(sib)
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