InterviewNutzerzentriert digitalisieren

[11.03.2019] Im Interview erläutert Baden-Württemberg-CIO Stefan Krebs, warum das Ländle im Bereich Digitalisierung sehr gut aufgestellt ist und wie die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes gemeistert werden kann.
Ministerialdirektor Stefan Krebs

Ministerialdirektor Stefan Krebs, CIO/CDO des Landes Baden-Württemberg

(Bildquelle: Laurence Chaperon)

Herr Ministerialdirektor Krebs, laut Onlinezugangsgesetz (OZG) sollen 575 Verwaltungsdienste bis zum Jahr 2022 elektronisch zur Verfügung stehen. Ist das zu schaffen?

Die Zahl 575 bezieht sich auf die Zahl der OZG-Leistungsbündel. Dahinter stecken mehrere tausend Verwaltungsleistungen. Das ist nicht nur aufgrund der Anzahl eine riesige Herausforderung. Es wäre zu kurz gegriffen, ohne Blick auf Qualität massenhaft Papierformulare und bestehende Prozesse elektronisch nachzubauen. Deutschland will Verwaltungsleistungen zu Recht nutzerzentriert digitalisieren. Aus diesem Grund haben wir uns im IT-Planungsrat erfolgreich dafür eingesetzt, dass bei der OZG-Umsetzung zuerst die Leistungen digitalisiert werden, die für die Nutzer den größten Mehrwert bieten.

Wie sind Landesverwaltung und Kommunen in Baden-Württemberg auf den Portalverbund vorbereitet?

Mit service-bw haben wir eine der besten E-Government-Infrastrukturen in Deutschland mit persönlichem Servicekonto und Behördenkonto mit Anbindung an das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach. Sichere Kommunikation ermöglichen wir über ein Postfach. Privatpersonen können häufig benötigte Dokumente in ihrem persönlichen Safe hinterlegen. Gemeinsam mit zahlreichen Kommunen digitalisieren wir kommunale Services in Form von fachlich standardisierten Prozessen und stellen sie auf service-bw zur Nutzung bereit. Baden-Württemberg wird sich mit service-bw an den Portalverbund anschließen. Die Kommunen und Landesbehörden pflegen dank unseres E-Government-Gesetzes ihre Adress- und Kontaktdaten ebenso wie Leistungsbeschreibungen und Informationstexte in das Portal ein. Wenn sie darüber hinaus die zentral bereitgestellten Dienste von service-bw nutzen, haben sie keinen nennenswerten Mehraufwand für die Umsetzung des OZG.

Wie soll das Portal service-bw weiterentwickelt werden?

Mit Blick auf die OZG-Umsetzung muss die Funktionalität der Plattform laufend erweitert und deren Nutzung für die Prozess- und Formularentwicklung ausgebaut werden. Schlüsselprozesse, die eine hohe Verwendung bei den Nutzern finden, müssen online gehen. Dies kann nur mit einer gleichzeitigen Implementierung von Organisations- und Behördenkonten als Authentifizierungskomponente gelingen. Wir arbeiten laufend daran, service-bw als gemeinsame Infrastruktur von Land und Kommunen weiter zu etablieren und zu sichern, die Support-Prozesse weiter zu professionalisieren, Usability und Funktionalität für Bürger und Organisationen zu erhöhen und – nicht zuletzt – alle notwendigen Vorkehrungen zur Vermeidung und Abwehr von Cyber-Angriffen zu treffen.

Was sind die größten Herausforderungen im Hinblick auf OZG und Portalverbund?

Für die Entwicklung nutzerzentrierter Online-Verwaltungsleistungen müssen viele neue Rollen besetzt werden wie Nutzerforscher, Service und Content Designer oder designorientierte Moderatoren. Diese Rollen existieren in den meisten Verwaltungen noch nicht. Wir dürfen uns aber nicht dauerhaft von externer Unterstützung abhängig machen und müssen diese Fähigkeiten selbst aufbauen. Die Ergebnisse aus den OZG-Laboren müssen von anderen Ländern nachnutzbar sein. Das gelingt mit der FIM-Methodik. Wir brauchen mehr Experten, die FIM (Föderales Informationsmanagement) mit den OZG-Laboren verzahnen. Da in diesen vermutlich nicht alle Verwaltungsleistungen bearbeitet werden können, müssen wir in allen Ländern und im Bund nachhaltige Strukturen schaffen, welche die übrigen Verwaltungsleistungen digitalisieren.

„Wir dürfen uns nicht dauerhaft von externer Unterstützung abhängig machen.“
In welchen Bereichen ist Baden-Württemberg hinsichtlich der Digitalisierung gut aufgestellt und wo besteht Nachholbedarf?

Baden-Württemberg ist insgesamt sehr gut aufgestellt, weil die Landesregierung – als erste in Deutschland – im Jahr 2017 die ressortübergreifende Digitalisierungsstrategie digital@bw erarbeitet hat. In der laufenden Legislatur werden 500 Millionen Euro in Leuchtturmprojekte investiert. Allein für die Projektförderung von Kommunen werden 2018 und 2019 im Rahmen der Wettbewerbe Digitale Zukunftskommune@bw und Future Communities knapp zehn Millionen Euro ausgeschüttet. Daneben stehen etwa neun Millionen Euro für die Digitalakademie@bw zur Verfügung, die das Personal des Landes und der Kommunen bei seiner Arbeit unterstützt. Wie in ganz Deutschland besteht allerdings Optimierungspotenzial bei der Verwaltungsdigitalisierung. Aus diesem Grund haben wir auch das bereits erwähnte Projekt zur Entwicklung kommunaler Online-Standardprozesse gestartet. Damit bringen wir E-Government im Ländle konsequent in die Fläche.

Welches sind die derzeit drängendsten Herausforderungen mit Blick auf die Verwaltungsdigitalisierung in Baden-Württemberg?

Im vergangenen Jahr haben wir damit begonnen, unsere personellen Ressourcen aufzustocken und Modelle für die Zusammenarbeit mit der kommunalen Ebene und den IT-Dienstleistern von Land und Kommunen zu erproben, die Nutzerzentrierung und Agilität ins Zentrum stellen. Außerdem benötigen wir in den Behörden des Landes und der Kommunen mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit für die Verwaltung bisher eher untypischem Fähigkeitenprofil. Das ist eine große Herausforderung. Wir sind jedoch froh, in Baden-Württemberg viele motivierte und begeisterungsfähige Kommunen zu haben, mit denen wir gemeinsam Prototypen entwickeln und entwerfen, Nutzerinterviews und -tests durchführen können, und die sich darauf einlassen, dass wir mit Betaversionen online gehen. Wir müssen dafür sorgen, dass diese Motivation nicht durch eine zu langwierige Rechts- und Registermodernisierung gedämpft wird.

Was ist bei der Entwicklung der digitalen Plattform für Bildungsinhalte schiefgelaufen? Wie geht es mit Ella weiter?

Derzeit beschäftigt sich der Rechnungshof im Auftrag der Landesregierung genau mit dieser Frage. Die Prüfung gilt es abzuwarten und daraus die entsprechenden Schlüsse zu ziehen. Klar ist, dass IT-Großprojekte schiefgehen können. Es ging ja nicht um den Kauf eines bestehenden Systems, sondern um die Entwicklung eines komplexen Produkts, das es in dieser Form noch nicht gibt. Eines muss aber klar sein: Nur weil ein Projekt einmal nicht so läuft, wie man es sich zunächst vorstellt, darf daraus nicht folgen, dass man sich in Zukunft nicht mehr an ambitionierte Projekte heranwagt.

Welche Vorteile versprechen Sie sich von dem zentralen IT-Dienstleister ITEOS?

Mit der Bündelung der drei kommunalen Rechenzentren und der Datenzentrale Baden-Württemberg in der neuen Anstalt ITEOS ist ein wichtiger und konsequenter Schritt bei der Konsolidierung der kommunalen IT und bei der Stärkung der IT-Kooperation zwischen Land und Kommunen vollzogen worden. Die weitere Vereinheitlichung und Standardisierung der kommunalen IT ist eine Voraussetzung für den Ausbau bürgerfreundlicher Online-Verwaltungsleistungen. Der Zusammenschluss erleichtert die Anbindung kommunaler IT-Verfahren an die der Landesbehörden.

Interview: Alexandra Braun




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