OZG-UmsetzungNur die Spitze des Eisbergs
Auf den ersten, rein formularbasierten Blick drängen sich bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) Themen wie Nutzerfreundlichkeit, Barrierefreiheit und UX-Design in den Vordergrund. Aber erst durch die Integration in Fachverfahren, Basiskomponenten und das Einbetten in durchgängig digitalisierte Verwaltungsprozesse entsteht eine nachhaltige, dauerhafte OZG-Lösung. Dazu passt das Bild eines Eisbergs: Bekanntlich sind nur zehn Prozent dieser Kolosse sichtbar. Unter der Wasserlinie liegt in der Regel die deutliche größere Masse. Viele Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen stehen daher jetzt bei der Umsetzung vor der Frage: Schnelligkeit vor Nachhaltigkeit oder umgekehrt? Oder geht auch beides? Dass auch beides geht, zeigt der Beitrag.
OZG ist nicht gleich Online-Formulare
Schnelligkeit bedeutet in diesem Kontext, sich auf den Zugang zu Online-Verwaltungsdienstleistungen zu fokussieren, also in der Regel auf die Online-Formulare. Diese sind quasi das Schaufenster für Bürger und Unternehmen bei ihrer Interaktion mit Behörden. Hierbei reicht es nicht aus, vorhandene Papierformulare zu elektrifizieren oder Prozess-Skizzen aus Workshop-Überlegungen zu digitalisieren. Vielmehr muss die Lösung nutzerfreundlich und die Formular einfach zu verstehen sein. Zudem sollte es keine motivatorischen und zeitintensiven Hürden geben, wie sie bei Endlospapier-Formularen leicht entstehen. Wichtig sind Themen wie ein ansprechendes und barrierefreies UX-Design, Mechanismen, die Eingaben zu plausibilisieren und zu validieren, Datenqualität und Datensicherheit, durchgängige Prozesse innerhalb des Formulars und Chatbots, also digitale Bürgerassistenten für ein leichteres und schnelleres Ausfüllen.
Nicht umsonst gibt das Fachkonzept zur OZG-Umsetzung aus dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) fünf Reifegradstufen vor und attestiert erst bei der Umsetzung der beiden letzten Stufen eine erfüllte OZG-Konformität. Das Modell kennt sogar die Stufe , gleichbedeutend mit offline. Um das Bild des Eisbergs aufzugreifen: Bei den vorderen Stufen bewegen wir uns zum überwiegenden Teil in den sichtbaren, oberen zehn Prozent – sprich über der Wasserlinie.
Quick-Win-Ansatz greift zu kurz
Der Ansatz, sich bei der OZG-Umsetzung auf die Oberfläche – sprich Formulare im Schaufenster der digitalen Verwaltungsleistung – zu konzentrieren, ist ohne Zweifel notwendig. Ist die digitale Auslage des Behördenangebots nicht ansprechend oder funktioniert womöglich nicht, dann werden Bürger und Unternehmen die OZG-Servicedienstleistungen gar nicht erst annehmen. Außerdem ist es verständlich, dass die Verwaltung versucht ist, sich auf eine reine Formularrealisierung zurückzuziehen, um schnelle OZG-Projekterfolge vorzeigen zu können.
Die Sicht auf Online-Formulare ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Der Quick-Win-Ansatz greift zu kurz. Nur digitale Formulare und Online-Anträge bereitzustellen, reicht weder für die geforderte OZG-Konformität im Sinne des BMI-Reifegradmodells noch entlastet es die Verwaltung nachhaltig – ganz zu schweigen von beschleunigten Prozessen. Im Gegenteil: Es besteht die Gefahr, dass weitere, nicht integrierte Insellösungen mit zu leichtgewichtigen Formularen und Architekturen entstehen.
Die OZG-Verpflichtung macht eine ganzheitliche Betrachtung erforderlich, um die verborgene Eismasse unter der Wasserlinie zu berücksichtigen: Die Prozesse müssen vom Antrag bis zum Bescheid durchgängig Ende-zu-Ende gedacht und aufgesetzt werden. Auch im Back End sind die Daten elektronisch an die Fachverfahren und E-Akte-Systeme anzubinden. Es müssen Schnittstellen zu den digitalen Querschnittsservices der Verwaltung sichergestellt werden, wie zum Beispiel E-Payment und E-Rechnung, Nutzerkonten für Bürger und Unternehmen, zur elektronischen Siegelung und Signatur und zu den digitalen Personalausweisfunktionen. Eine enge Integration in Portale und auch Registerverfahren ist notwendig, um die hohen Reifegradstufen abzubilden. Ziel ist es, eine nachhaltige und durchgängige Online-Transaktion zu etablieren, indem OZG-Dienstleistungen vollständig digital abgewickelt werden und für etwaige Nachweise das Once-Only-Prinzip angewendet wird. Im Back-End-Bereich sind daher so genannte Rückkanäle zwischen den einzubindenden Fach- und Registerverfahren und der OZG-Formularwelt entscheidend.
Dieser nachhaltige Ansatz ist komplexer und erfordert mehr Zeit, als ein Formular ins Schaufenster zu legen. Um auch hier wieder das Bild des Eisbergs zu bemühen: Unter der Wasserlinie schlummern 90 Prozent der Eismasse.
Erprobte Basiskomponenten unterstützen
Was ist mit dem scheinbaren Zwiespalt schnell versus nachhaltig? Die gute Nachricht ist: Bei näherem Betrachten lässt sich der verborgene Teil des Eisbergs deutlich verkleinern, denn es gibt bereits gemeinsame Grundlagen, wie die Vorgaben aus dem Föderalen Informationsmanagement (FIM) in Form standardisierter Formulare, die Behörden zur Verfügung stehen. Dies gilt sowohl für den Inhalt der Formulare im Front End als auch für ihre prozessuale Verarbeitung im Back End. Im nächsten Schritt sollten OZG-Lösungen mittels Nutzung der FIM-Informationen in der Lage sein, die FIM-Vorgaben zu importieren, Formulare automatisiert zu generieren und die Datenfelder und Prozessbeschreibungen weiterzuverarbeiten.
Als OZG-Lösungen stehen bereits erprobte Basiskomponenten mit den erforderlichen Schnittstellen zur Verfügung, wie zum Beispiel der Government Site Builder (GSB) als Portal- und Content-Management-Lösung und das Formular-Management-System (FMS) auf Basis der Lucom Interaction Plattform. Diese beiden Lösungen werden in der Verwaltung, vor allem im Bund sowie in einigen Bundesländern, bereits seit vielen Jahren eingesetzt und haben einen hohen Reife- und Integrationsgrad für eine nachhaltige OZG-Infrastruktur. Hiermit wird selbst eine schnelle Formularbereitstellung nicht zur Aufwandsfalle. Bereits mitgedacht ist dabei der spätere Fokus auf die nachhaltige und in die Behörde hineinwirkende digitale Weiterverarbeitung. Diese Komponenten sind ein Garant sowohl für eine schnelle Sichtbarkeit über der Wasserlinie als auch für eine nachhaltige Umsetzung.
Nur wenn sich die Verwaltung auf die im OZG geforderten Kriterien einlässt, kann es gelingen, die Digitalisierungslücke zu schließen und im internationalen Vergleich aufzuholen. Auch sollte die OZG-Umsetzung – wie jedes größere Digitalisierungsprojekt – von einigen Maßnahmen flankiert werden: ganzheitliche Organisationsentwicklung, Akzeptanz- und Veränderungsmanagement, Datenschutz und IT-Sicherheit sowie Betriebskonzepte.
Nachhaltige OZG-Services
Ein Beispiel für einen nachhaltigen gut genutzten Service ist das Fachverfahren OLAF (Online-Antrag-Führungszeugnis), mit dem sich Führungszeugnisse und Auskünfte aus dem Gewerbezentralregister via Web beantragen lassen. Dahinter steckt ein vollständig elektronischer Verwaltungsprozess inklusive Funktionen zur Antragsstellung, für Identitäts- und Plausibilitätsprüfungen und für den Gebühreneinzug per E-Payment. Auch die technische und inhaltliche Anlagenprüfung, eventuelle Korrekturen und das Nachreichen von Unterlagen erfolgen auf elektronischem Weg. Lediglich die Zusendung der Führungszeugnisse erfordert die Papierform.
Ein weiteres Beispiel für nachhaltige Digitalisierung aus dem Bereich der Wirtschaft ist das Gewerbe-Service-Portal.NRW (wir berichteten). Gründer können darüber ihr Gewerbe bei der zuständigen Behörde einfach online anmelden. Es ist mit einer elektronischen Bezahlmöglichkeit (ePayBL) (wir berichteten) und einer automatisiert erzeugten Bescheinigung verknüpft. Für weiteren Komfort sorgt der Einstieg über das Servicekonto.NRW. Nach der Anmeldung zum Servicekonto kann der Anwender einmal eingegebene persönliche Daten auch für weitere Verfahren und elektronische Antragsprozesse nutzen. Der digitale Assistent Guido unterstützt dazu bei allen Fragen und liefert rund um die Uhr alle relevanten Informationen für die Gewerbeanmeldung.
Weitere OZG-Services aus dem Katalog des BMI sind unter anderem das Meldeportal-Mindestlohn für die Anmeldungen von Arbeitgebern und Entleihern, die digitalisierten Anträge zur Fisch-Etikettierung der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (wir berichteten) und das Erfassungsportal zur Energiesteuer- und Stromsteuer- Transparenzverordnung EnSTransV.
Fazit
Bei der OZG-Umsetzung fassen rein auf das Front End fixierte Ansätze zu kurz (wir berichteten). Nachhaltige Realisierungen, die neben intelligenten Formularen auch OZG-Prozesse durchgängig im Back End integrieren, sind notwendig. Sie stehen auch einer raschen Umsetzung durch Formulare nicht im Weg. Die konsequente Nutzung vorhandener, zentraler Basiskomponenten kombiniert eine schnelle mit einer nachhaltigen Umsetzung. Und ganz nebenbei lässt das den OZG-Eisberg deutlich schmelzen.
https://gewerbe.nrw
https://www.meldeportal-mindestlohn.de
Zum Online-Antrag Fisch-Etikettierung
Hessen: Hochwasserportal überarbeitet
[25.09.2024] Das neu gestaltete Hochwasserportal Hessen ist ab sofort für die Öffentlichkeit zugänglich. Mit verbessertem Design, erhöhter IT-Sicherheit und optimierter Lesbarkeit auf Mobilgeräten soll es Bürgerinnen und Bürgern eine einfache und umfassende Information über den Hochwasserschutz in Hessen bieten. mehr...
Hamburg: Geoportal überarbeitet
[19.09.2024] Das Hamburger Geoportal bietet verschiedenste Funktionen und stellt über 500 Datensätze zu Themen wie Stadtentwicklung, Bildung und Verkehr frei zur Verfügung. Nun steht eine überarbeitetet Version des Portals bereit. mehr...
Brandenburg: Umweltinformationssystem modernisiert
[03.09.2024] Das Brandenburger Umweltportal LUIS-BB wurde überarbeitet und erweitert. Es bietet ab sofort mehr Informationen zu verschiedensten Themen aus dem Agrar-Umweltressort, interaktive Karten, eine nutzerfreundlichere und bessere Darstellung sowie weitere Möglichkeiten für die individuelle Nutzung. mehr...
Niedersachsen: Pilot für Online-Arbeitsschutzleistungen
[08.08.2024] Niedersachsen hat ein Pilotprojekt für digitale Verwaltungsleistungen beim Arbeitsschutz gestartet. Damit sollen zum einen die Bürgerfreundlichkeit erhöht und zum anderen die Behörden entlastet werden. mehr...
Bundesportal: Neuer Einstieg
[31.07.2024] Das Bundesportal hat eine neue Startseite erhalten. Im Vordergrund standen dabei die bessere Auffindbarkeit von Informationen sowie die Nutzung mit mobilen Endgeräten. mehr...
Your Europe: Plakatwerbung für die Plattform
[17.07.2024] Im Sinne des Single Digital Gateway fungiert das Your-Europe-Portal als zentraler Zugang zu den digitalen Angeboten der öffentlichen Verwaltung aller europäischen Mitgliedstaaten. Um die Plattform bekannter zu machen, wurde eine Plakatkampagne in fünf europäischen Städten – darunter Köln – durchgeführt. mehr...
Rheinland-Pfalz: Transparente Waldwirtschaft
[11.07.2024] In Rheinland-Pfalz listet ein neues Online-Portal alle Ergebnisse der Nachhaltigkeitszertifizierung FSC (Forest Stewardship Council) auf. Interessierte können hier Beanstandungen und deren Behebung nachvollziehen oder erfahren, wo etwas gut läuft. Eine App erleichtert außerdem den FSC-Autorinnen und Autoren die Dokumentation vor Ort. mehr...
Schleswig-Holstein: Portal zur Meldung geschützter Arten
[08.07.2024] Nach Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz nutzt nun auch Schleswig-Holstein das Online-Portal zum Melde- und Bescheinigungswesen im Artenschutz (MelBA-online). Über die Plattform können sowohl die Halter geschützter Arten als auch die zuständigen Sachbearbeiter einfacher ihren Pflichten nachkommen. mehr...
eGov-Campus: Online-Campus wächst weiter
[24.05.2024] Im Herbst 2020 ist der eGov-Campus als (Weiter-)Bildungsplattform mit Online-Kursen zur Verwaltungsdigitalisierung gestartet. Die Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer hat den Auftrag zur Weiterentwicklung. Dort hält heute seine Hendrik Scholta seine Antrittsvorlesung. mehr...
Nordrhein-Westfalen: Neustart für das Portal Integrationsmonitoring
[14.05.2024] Das überarbeitete Datenportal des Landes Nordrhein-Westfalen zum Thema Integration bietet eine verbesserte grafische Darstellung der Daten und ein interaktives Nutzererlebnis. mehr...
Bayern: EFRE Bavaria modernisiert
[30.04.2024] Mithilfe von cit intelliForm modernisiert der Freistaat Bayern seine Plattform für EFRE-Förderungen und erleichtert so die Kommunikation und den Datenaustausch zwischen Fördermittelempfangenden und bewilligender Stelle. Die Anbindung an das Unternehmenskonto vereinfacht die Authentifizierung und macht eine Unterschrift obsolet. mehr...
Registermodernisierung: Durch Register navigieren
[29.04.2024] Das Bundesverwaltungsamt hat die erste Version einer Registerlandkarte veröffentlicht. Die Online-Plattform ist ein wichtiger Baustein der Registermodernisierung und der Umsetzung des Once-Only-Prinzips. mehr...
Rheinland-Pfalz: Portal für Ehrenamtliche renoviert
[24.04.2024] Das Ehrenamtsportal der Landesregierung Rheinland-Pfalz präsentiert sich nach einem umfassenden Relaunch in neuem Design und mit verbesserten Funktionen. mehr...
Linie6Plus: NRW tritt bei
[23.04.2024] Das Land Nordrhein-Westfalen ist dem technischen Entwicklerverbund Linie6Plus beigetreten. Ziel der „Infodienste Linie6Plus“ ist es, alle Leistungen der öffentlichen Verwaltung vernetzt und über ein einziges Portal deutschlandweit auffindbar zu machen. mehr...
Niedersachsen: Online-Portal für Bau-Management
[19.04.2024] Per Online-Portal will das Staatliche Baumanagement Niedersachsen (SBN) die Auftragsvergabe vereinfachen und beschleunigen. Architektur- und Ingenieurbüros müssen Angaben zur Eignung und ihren Leistungen hier nur noch einmal einpflegen. Die Daten stehen dann landesweit allen Dienststellen des SBN zur Verfügung. mehr...