NormenkontrollratFünfter Monitor Digitale Verwaltung

[14.05.2021] In der nunmehr fünften Ausgabe seines Monitors zum Stand der Verwaltungsdigitalisierung in Deutschland zieht der Normenkontrollrat Bilanz. Trotz engagierter Akteure und hoher Dynamik bei der OZG-Umsetzung sieht das Gremium weiterhin viele Lücken, vor allem auf struktureller Ebene.

Welche Fortschritte haben Bund und Länder bei der Digitalisierung der Verwaltung erreicht? Wo besteht weiterhin dringend Handlungsbedarf? Und was ist noch bis zum Ende der Legislaturperiode zu schaffen? Der Monitor Digitale Verwaltung des Nationalen Kontrollrats (NKR) erscheint seit Herbst 2018 in unregelmäßiger Folge und hat das Ziel, diese und andere Fragen zu beantworten. Nun – nach mehr als einem Pandemiejahr – erschien die umfassende Evaluation zum fünften Mal. Noch deutlicher als die Flüchtlingskrise in den Jahren 2015/16 zeigt die Pandemie demnach, wieviel Nachholbedarf bei der Digitalisierung im öffentlichen Sektor bestehe. In der Corona-Krise habe das Selbstbild eines gut organisierten und gut regierten Landes sichtbare Risse bekommen. Das Vertrauen, dass Staat und Verwaltung in der Lage seien, schnell, konsequent, nachvollziehbar und pragmatisch zu handeln, sei geschwunden, konstatiert der NKR. Es stelle sich die Frage, was strategisch getan werden müsse, um die Modernisierungsfähigkeit der öffentlichen Hand substanziell zu stärken. Deutschland stecke, in der Pandemiebekämpfung wie bei der Verwaltungsdigitalisierung, in einer Komplexitätsfalle – und diese Komplexität aufzulösen, müsse das langfristige Ziel einer Digitalisierungs- und Modernisierungsstrategie sein. Die OZG-Umsetzung könnte zur Komplexitätsreduktion einen Beitrag leisten, kämpfe aber mit eigenen Komplexitätsproblemen. Verbindliche Standards seien der Schlüssel zur Komplexitätsreduktion. Allerdings dürften Eigenverantwortung, Einfallsreichtum und Wettbewerb nicht auf der Strecke bleiben, betont der NKR und führt Kontaktverfolgungslösungen als Negativbeispiel an: Mit der Luca-App wünsche die Politik der Einfachheit halber eine einheitliche Lösung und nähme in Kauf, dass innovationsfördernder Wettbewerb eingeschränkt werde. Dynamik durchs OZG, aber zäher Strukturwandel Das OZG habe eine „erhebliche Dynamik“ in der Verwaltungsdigitalisierung ausgelöst, stellt der NKR fest. Trotz fast durchweg vorhandener Bereitschaft zur Digitalisierung werde diese Dynamik aber wohl nicht ausreichen, um die OZG-Zielsetzung bis Ende 2022 zu erreichen. Zwar gingen erste Online-Lösungen an den Start, die großen Stückzahlen und vor allem die flächendeckende Umsetzung stehen aber weiterhin aus. Bisher seien 71 Leistungen aus dem OZG-Programm online. Davon sind 14 Leistungen des Bundes flächendeckend verfügbar. Der Großteil der bisher erreichten Meilensteine beziehe sich vor allem auf die Fortentwicklung der Programmstrukturen, die Schaffung weiterer Verfahrensgrundlagen, auf die Feinjustierung von Konzepten (etwa Portalverbund, Unternehmenskonto, eID oder EfA) und auf aufwendige Grundlagenbeschlüsse (RegMoG). Wieviel Zeit und Kraft der die Digitalisierung begleitende Struktur- und Kulturwandel wirklich kostet, ist nach Einschätzung des NKR massiv unterschätzt worden. Dennoch bestehe weiterhin die Hoffnung, dass 2021 den Wechsel „von der Aufwärm- in die Leistungsphase“ der OZG-Umsetzung markiere. Der Bund habe angekündigt, die 115 Bundesleistungen bis Ende des Jahres digitalisiert zu haben. Föderal sollen in diesem Jahr über 200 EfA-Leistungen zur Nachnutzung zur Verfügung stehen. Unklar sei noch, in welchem Maße und bis wann diese dann flächendeckend eingesetzt würden. Es könne als Erfolg des OZG gesehen werden, wenn sich die geschaffenen Strukturen längerfristig als so leistungsfähig herausstellen, dass kontinuierlich mehr Leistungen zur Verfügung gestellt werden könnten – selbst wenn die formale Frist nicht eingehalten werde. Zusätzliche Strategiekapazitäten, um Nachhaltigkeit zu schaffen Die Nachhaltigkeit der gegenwärtigen OZG-Strategie sei allerdings fraglich. Der NKR zeigt sich skeptisch, ob das eher planwirtschaftlich ausgerichtete EfA-Prinzip zu bedarfsgerechten, dauerhaft innovativen und wirtschaftlichen Lösungen führen kann. Viele OZG-Leistungen könnten zunächst – bis die Registermodernisierung ihre Wirkung entfalte – nur den Reifegrad 3 erreichen (Nachweise als Scan), schon jetzt sei ein erheblicher Weiterentwicklungsbedarf erkennbar. Und auch der Reifegrad 4 (Registerabfragen statt Scan-Nachweise) sei noch nicht das Ende der Entwicklung. Diese werde in Zukunft noch viel stärker in Richtung antragsloser, individualisierter und automatisierter Leistungserbringung gehen. Daher sei es wichtig, jene Bemühungen zu stärken, die Transaktionskosten und Koordinierungsaufwände senken, die Schnelligkeit von Software-Entwicklungen erhöhen, ihre Nachnutzung vereinfachen und gleichzeitig Innovationskraft und Wettbewerb aufrechterhalten. Nach Auffassung des NKR erfordert dies noch mehr strategische Aufmerksamkeit für Fragen der Standardisierung und des Architektur-Managments, der Bereitstellung von Plattformen und Verbindungsmechanismen (Middleware) sowie für die vereinfachte Beschaffung und die Nachnutzung standardisierter Lösungen. Die OZG-Umsetzung bleibe eine „Bastelwerkstatt“, sofern es nicht gelänge, das deutsche Gesamtsystem Verwaltungsdigitalisierung schnellstmöglich in Richtung industrieller Produktionsmuster weiter zu entwickelt. Dabei komme den Orientierung gebenden, Transaktionskosten senkenden und Skalierung fördernden Eigenschaften von Plattformen besondere Bedeutung zu. Modernes Daten-Management als Basis Nach Einschätzung des NKR hängt der materielle Erfolg des OZG von zwei Faktoren ab: Der Akzeptanz durch die Nutzer und der Aufwandsentlastung für die öffentliche Hand. Nutzerfreundlich und effizient seien Online-Leistungen dann, wenn notwendige Daten nicht immer wieder händisch eingegeben und Nachweise herausgesucht und in Papierform oder als Scan verarbeitet werden müssen. Daher beinhalte Reifegrad 4 der OZG-Umsetzung die Verwirklichung des Once-Only-Prinzips. Nutzerdaten und Nachweise sollen mit Zustimmung des Antragstellers durch Registerabfragen ersetzt werden. Auch zukünftige Automatisierungspotenziale ließen sich nur mit einem vernünftigen Daten-Management erschließen. Derzeit seien in der Breite der Verwaltungslandschaft weder Register noch Online-Antragsverfahren oder Fachverfahren in der Lage, das Once-Only-Prinzip tatsächlich umzusetzen. Erforderlich sei zunächst die Ertüchtigung des öffentlichen Daten-Managements, dessen Kern die Registermodernisierung sei. Hinzu kommt die Notwendigkeit der Datenfeldstandardisierung und Rechtsanpassung. Die Registermodernisierung sei in Bedeutung und Dimension mit dem OZG vergleichbar. Allerdings sei die erforderliche Gesamtkoordinierung der Registermodernisierung noch unterentwickelt. Während die OZG-Umsetzung bereits ins vierte Jahr geht, stehe die Registermodernisierung noch ganz am Anfang. Angesichts der Bedeutung der Aufgabe bedürfe es zu ihrer erfolgreichen Umsetzung ähnlicher Programmstrukturen, Personalressourcen und politischer Aufmerksamkeit wie für das OZG selbst. Die Umsetzung müsse nun energischer vorangetrieben werden. Es werde eine Übersicht darüber benötigt, in welchen Registern welche Daten vorliegen. Die Verwaltungsdateninformationsplattform des Statistischen Bundesamts und das Föderale Informationsmanagement (FIM) – insbesondere die Bausteine FIMProzesse und FIMFormulare – könnten zur Schaffung dieser Übersicht herangezogen werden. Auch die Digitalisierungstauglichkeit des Rechts müsse erhöht werden. Empfehlungen und Gutachten dazu will der NKR in Kürze veröffentlichen.





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