Digitalgipfel 2022Mehr Digitalisierung wagen

Eher ernüchternd sind die auf dem Digitalgipfel 2022 besprochenen Digitalisierungsfortschritte in Deutschland.
(Bildquelle: Bundesfoto)
Japan war vor 20 Jahren Weltmarktführer im Bereich analoger Technologien. Jetzt liegt das Land im Digitalen ebenso weit zurück wie Deutschland und hat den Anschluss verloren. Auf dem Digitalgipfel, der vergangene Woche (8. bis 9. Dezember 2022) mit viel Politprominenz in Berlin stattfand, berichtete Taro Konō, per Videokonferenz zugeschalteter Minister für digitale Transformation in Japan, wie auch dort erst durch die Corona-Pandemie die vielen Missstände bei der Digitalisierung offenbart wurden. Innerhalb von zwei Monaten gelang es ihm 2020 dennoch, die Impfstatistik von Fax und Papier auf ein digitales System umzustellen. Seitdem ist das Land aufgewacht und hat sich ambitionierte digitale Prioritäten auferlegt. „Wir wollen und müssen aufholen“, sagt Taro Konō.
Mit seinen 120 Millionen Einwohnern und 17.500 Kommunen herrscht in Japan eine verblüffend ähnliche Situation wie bei uns: Auf kommunaler Ebene gibt es eine große Vielfalt von IT-Systemen und Technologien, die nicht miteinander kommunizieren können. Die japanische Regierung hat nun eine Government Cloud entwickelt und bietet Kommunen an, sich bis 2025 daran anzuschließen und die verfügbaren Applikationen zu nutzen. Ebenso ist ein Identitätssystem in Entwicklung, das im März 2023 fertiggestellt sein soll. Dann soll jeder Bürger eine ID-Card erhalten, in die auch der Führerschein integriert werden kann. Bis Mai 2023 soll zudem eine vollumfängliche ID für das Smartphone angeboten werden. Darüber hinaus ist die Regierung dabei, mehr als 9.000 analoge Regulierungen, worunter auch Verwaltungsdienste fallen, abzuschaffen und in den kommenden zwei Jahren zu digitalisieren.
Neue Datenkultur gesucht
Es dürfte spannend werden, ob dies im Land der aufgehenden Sonne so schnell gelingt wie angekündigt. Gelegenheit zur Überprüfung der ambitionierten Digitalziele gibt es schon nächstes Jahr, wenn der G7-Gipfel in Japan ausgerichtet wird und sich auch die Digitalminister treffen. Nicht zuletzt sorgt großer wirtschaftlicher Druck dafür, dass Japan digital durchstartet. So will das Land das europäische PEPPOL-System implementieren, das auf eine Standardisierung öffentlicher Vergabeverfahren zielt. Und auch der Data free flow with trust, eine internationale Kooperation in der Datenökonomie, wird von Japan vorangetrieben. Transparenz, Interoperabilität und Schutz der Privatsphäre sind die von Taro Konō aufgeführten Werte, mit denen sich Japan auch im Digitalen zur westlichen Welt bekennt.
Von der Aufbruchstimmung, die der japanische Digitalminister verbreitete, ist hierzulande wenig zu spüren. Dass die Volldigitalisierung von Behördengängen laut Onlinezugangsgesetz bis Jahresende nicht fertig wird, hat auch dem Digitalgipfel einen Dämpfer versetzt. Die jährliche Veranstaltung steht ohnehin im Ruf, ein bloßes Ritual – immerhin auf höchster Regierungsebene – zu sein. Das diesjährigen Thema Datenökonomie gilt zudem als sperrig, nicht zuletzt, weil dessen Leitprojekt Gaia-X nur schleppend vorankommt. Hoffnungen der Zivilgesellschaft, dass Netzpolitik in der Ampelkoalition nicht mehr reine Wirtschaftspolitik sein würde sondern Gesellschaftspolitik, erfüllten sich nur bedingt. Zumindest forderte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, dass die Datenökonomie in einer sozialen Marktwirtschaft den Menschen und nicht dem Staat oder den Unternehmen dienen müsse. Der damit verbundene Multi-Stakeholder-Ansatz bedeutet aber auch einen größeren Einsatz bei der Aushandlung von Zielen, die allen Akteuren gefallen.
Es bleibt viel Luft nach oben
Die beiden Gastgeber des Digitalgipfels, Volker Wissing für das Verkehrs- und Digitalministerium und Robert Habeck für das Wirtschaftsressort, bemühten sich redlich um die Vermittlung von Erfolgen, was nicht ganz einfach ist. Wissing hob in seiner Keynote den Mobility Data Space hervor, ein europäischer Datenraum für den Bereich Mobilität, in dem Wirtschaft und öffentliche Hand kooperieren. Firmen und Kommunen stellen dort Daten zur Verfügung, aus denen neue Entwicklungen, Geschäftsmodelle und neues Wissen entstehen können. Gerade einmal 60 Firmen europaweit beteiligen sich derzeit. Erste Anwendungen sind ein CO2-Mobilitätsrechner, Tools zur Parkplatzsuche und zur Verkehrsprognose. Die Projekt-Website wirkt noch reichlich karg. Das Problem ist altbekannt: Firmen fordern ungehinderten Zugriff auf öffentliche Daten beispielsweise aus Kommunen, tun sich selbst aber schwer, ihrerseits Daten zu veröffentlichen. Nur eins von zehn Unternehmen gibt Daten nach außen. Immerhin: BMW steuert Daten zur örtlichen Gefahrensituation bei – wenn die Fahrer die Funktion freischalten. Mercedes Benz verfügt über große Datenbestände zum Zustand von Straßen auf 130.000 Kilometern, die größtenteils von Nutzfahrzeugen gesammelt werden. Und die Deutsche Bahn setzt auf vernetzte Mobilität für die „Einschätzung von Großstörungsereignissen“.
Von einer „neuen Datenkultur“, wie Volker Wissing sie fordert, ist man hierzulande noch weit entfernt, und ob es gelingt, bis 2025 „unter die Top 10 in Europa“ zu gelangen, wie er ankündigt, steht in den Sternen. Allein dass der Digitalminister zum Schluss seiner Keynote auf den Ausbau der digitalen Infrastruktur zu sprechen kommt und die über 100 Maßnahmen anpreist, deren „Umsetzung auf Hochtouren“ laufe, lässt Skepsis aufkommen. Bei Claudia Nemat, Vorstandsmitglied Deutsche Telekom, hört sich das ganz anders an. Sie verweist auf bis zu 24 Monate, die in strukturschwachen Gebieten für die Genehmigung von Mobilfunkmasten ins Land gehen. Für die Verlegung von Glasfaser in Kommunen seien mitunter bis zu 21 Genehmigungen pro Straße erforderlich. Ob unter diesen Bedingungen die Gigabitstrategie der Bundesregierung aufgeht und alle Haushalte bis 2030 an das Glasfasernetz angeschlossen sind, bleibt abzuwarten.
Vom Planen ins Tun kommen
Dies wäre aber notwendig, um eine relevante Rolle in der Datenökonomie zu spielen und vom Planen und Regulieren ins Tun zu kommen. Wenn ein Wirtschaftsminister zu erklären ansetzt, dass die Ladesäuleninfrastruktur sich am realen Bedarf ausrichten müsse, anstatt an statistischen Größen wie Einwohnern pro Fläche, ist zu fragen, wieso das nicht einfach geschieht. Die Daten, wo wie viele E-Autos im Einsatz sind und wo sie häufig und mit welchem Ladestand parken, liegen den Automobilfirmen vor. Die Ladesäulenbetreiber wissen zudem, welche Standorte wie häufig ausgebucht sind. Da muss man nur eins und eins zusammenzählen, anstatt, wie in Berlin, Modellprojekte am Stadtrand aufzulegen, wo Shell Ubitricity massiv Straßenlaternen zu Lademasten aufrüstet, ohne dass dort ein nennenswerter Bedarf besteht.
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz ließ es sich nicht nehmen, auf dem Digitalgipfel zu erscheinen. Auf einem Mini-Parcour wurden ihm Exponate wie die Berechnung des Product Carbon Footprint (PCF), also des ökologischen Fußabdrucks von Produkten, mittels QR-Code gezeigt. Hamburg stellte ihm den Mobilitätskompass vor, ein „datenbasierter Wegweiser zur klimaneutralen Stadt“. Mit dem Rechen- und Analyse-Tool lässt sich beispielsweise aufzeigen, wie viel CO2 eingespart wird, wenn eine Stadt das 49-Euro-Ticket einführt und alle großen Straßen mit Radwegen ausstattet. Ein weiteres Exponat war ein zur Serienreife gelangter KI-gestützter Agrarroboter, der auf seinem Weg durch die Ackerfurchen Kulturpflanzen von schädlichen Unkräutern unterscheiden kann und letztere herausreißt, wodurch der Einsatz von Pestiziden und chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln eingeschränkt werden kann.
Privatunternehmen dringend miteinbeziehen
Auf dem anschließenden Podium offenbarte sich einmal mehr der meilenweite Unterschied zwischen der High-Tech-Nation Deutschland und dem kleinen Estland. Dort sind 95 Prozent aller Verwaltungsverfahren online. Premierministerin Kaja Kallas versicherte, dass die Bürgerinnen und Bürger nur noch bei einer Hochzeit physischen Kontakt mit Behörden hätten. Olaf Scholz verwies darauf, dass Deutschland immerhin seine Verfassung geändert habe, um im föderalen System eine Vereinbarkeit und Interoperabilität zu erreichen: „Mehr zu tun, ist notwendig, und wir werden weiter daran arbeiten“, erklärter der Kanzler. Seine estnische Kollegin riet ihm, die Privatunternehmen dringend dabei miteinzubeziehen. Dies konnte der Dritte in der Runde, Bitkom-Präsident Achim Berg, nur unterstreichen und forderte: „Mehr Digitalisierung wagen.“
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