BundDigitalisierung ist Daueraufgabe

Bundes-CIO Dr. Markus Richter
(Bildquelle: BMI/Henning Schacht)
Herr Dr. Richter, weil das Onlinezugangsgesetz (OZG) nicht fristgerecht fertig wird, ist vom IT-Planungsrat (IT-PLR) ein OZG-Booster beschlossen worden. Was ist darunter zu verstehen?
Wir werden die Ziele des OZG, gerade in der zeitlichen Dimension und in der Flächenskalierung, deutlich verfehlen. Das entbindet uns aber nicht von der gesetzlichen Pflicht, bis zum Jahresende auf allen Verwaltungsebenen digitale Services zur Verfügung zu stellen. Der Booster heißt also nicht, dass wir das gesetzliche Ziel fallen lassen und uns nicht am gesetzlichen Auftrag messen lassen wollen. Vielmehr geht es beim Beschluss des IT-Planungsrats darum, dass wir ambitioniert dafür sorgen wollen, wichtige Digitalleistungen bis zum Jahresende flächendeckend verfügbar zu machen.
Welche sind das konkret und welche davon sind schon fertig oder befinden sich auf der Zielgeraden?
Ein Teil ist bereits heute verfügbar, ein anderer Teil wird es noch im Laufe des Jahres sein. Zur ersten Gruppe zählen der Führerschein digital, das Elterngeld, der digitale Bauantrag, ALG II und Wohngeld. Diese Leistungen sind bereits heute nach dem Einer-für-Alle-Prinzip (EfA) für die Nachnutzung vorhanden. Aus der zweiten Gruppe möchte ich vor allem auf die Ummeldung aufmerksam machen, denn sie gehört zu den wirklich häufigen Vorgängen in der Verwaltung. Auch Einbürgerung und Personalausweis sind Lösungen, die jetzt abgeschlossen werden und dann in die Fläche kommen.
Was sind aus Ihrer Sicht die Hauptgründe für die Verzögerung beim OZG?
Das sind vor allem drei Dinge. Erstens brauchen wir gemeinsame technische Standards. Davon sind wir immer noch ein gutes Stück entfernt. Mit der Verwaltungscloud-Strategie wollen wir technische Infrastrukturen schaffen und Standards setzen, auf denen dann Verwaltungslösungen betrieben werden. Das Zweite ist, dass wir bei der Flächendeckung vor allem die Einbindung der Kommunen noch weiterentwickeln müssen. Dabei geht es auch um Ressourcenfragen und finanzielle Unterstützung. Das Dritte ist der Change-Prozess. Wenn Sie einen Bauantrag, der höchsten Standards entspricht und eine Kollaborationsplattform umfasst, in die Fläche bringen, dann ist ein großer Change-Prozess vor Ort erforderlich, mit Schulungen und allem was dazugehört. Das muss auch auf den Leitungsebenen in den Verwaltungen erkannt werden.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat bei der Vorstellung des Digitalprogramms des Bundes mehrfach das Jahr 2025 hervorgehoben. Wird dies die neue OZG-2.0-Frist sein?
Ich halte wenig davon, das OZG jetzt einfach fortzuschreiben und als Erfolgskriterien wieder eine Anzahl von Leistungen zu nehmen. Mir wäre es wichtig, dass wir in Deutschland anerkennen, dass Digitalisierung eine Daueraufgabe ist, die uns noch lange begleiten wird. Wir können uns jährliche Meilensteine vornehmen. Dabei sollten wir aber nicht einzelne Leistungen zählen, sondern eher darstellen, wie viele Menschen und Unternehmen durch eine Leistung erreicht und entlastet worden sind. Und wenn wir diese Meilensteine nicht erreichen, dann müssen wir diskutieren, woran das liegt, und die Gründe angehen, beispielsweise indem wir die Usability erhöhen.
„Im Föderalismus sollten wir intelligenter zusammenarbeiten, als wir es heute tun.“
Bayern und Nordrhein-Westfalen setzen beim Führerscheinumtausch auf Eigenlösungen, Baden-Württemberg hat ein Prozessmodell aufgesetzt für den schnelleren digitalen Verwaltungszugang. Sachsen wählt einen Sonderweg beim EfA-Dienst für Fundsachen. Ist nicht mehr Vereinheitlichung notwendig?
Solche singulären Lösungen sind erstmal gar nicht schädlich und stehen einem OZG-Ansatz nicht zwingend entgegen. In Baden-Württemberg wird eine Bearbeitungsstraße für den einfachen Bau von Services angelegt, die durchaus vom Einer-für-Alle-Prinzip abgebildet werden. Das ist nicht unabgestimmt erfolgt und auch kein neues Phänomen. Wir haben eben in Deutschland in vielen Leistungsbereichen schon Lösungen, die nicht im OZG-Kontext entstanden sind, und es stellt sich immer die Frage: Wie stellen wir Interoperabilität her und was ist das Zielbild? Klar ist aber auch, dass der Bund nur einmal für eine Leistung bezahlt.
Die Bundesinnenministerin hat angekündigt, dass die weitere Finanzierung des OZG gedeckt sei. Bezieht sich das nur auf die Entwicklung oder auch auf den Betrieb?
Dass der Bund den Betrieb von IT-Lösungen auf kommunaler oder Länderebene finanziert, ist finanzverfassungsrechtlich nicht zulässig. Wir sehen aber gerade, dass die Konjunkturmittel, die limitiert bis zum Ende dieses Jahres laufen, nicht vollständig abgerufen wurden. Wir wollen, dass diese Mittel übertragbar werden. In den aktuellen Entwürfen für den Haushalt im Jahr 2022 und 2023 ist vorgesehen, dass die Mittel, die im vergangenen Jahr verfallen sind, auf dieses sowie das nächste Jahr aufgeschlagen werden.
Ab wann müssen Länder und Kommunen den OZG-Betrieb in die eigenen Haushalte einpreisen?
Ich würde empfehlen, das sofort zu tun. Dass der Bund drei Milliarden Euro und faktisch 2,4 Milliarden davon den Ländern zur Verfügung gestellt hat, ist sicher gut, aber keine Selbstverständlichkeit. Dauerhaft mit Konjunkturmitteln zu rechnen, ist nicht angezeigt. Die bestehende Rechtslage verpflichtet jeden dazu, seine Rechnung selbst zu bezahlen.
Die Bundesregierung wäre durch das OZG ermächtigt, an vielen Stellen einzugreifen und Standards, IT-Komponenten und Infrastrukturen vorzugeben. Was spricht dagegen?
Der Bund hat in bestimmten Fallkonstellationen die Möglichkeit, Verfahren verbindlich bundesweit vorzugeben. Das ändert aber nichts daran, dass diese einheitlichen Verfahren am Ende auch funktionieren müssen. Es ändert auch nichts an den technischen Voraussetzungen und den Change-Prozessen, die notwendig sind. Es gibt ein Commitment der Länder, die Leistungen gemeinsam nutzen zu wollen, und diese Beschlusslage entspricht gewissermaßen einem einseitigen Vorgehen. Entscheidend ist doch, dass den Worten Taten folgen und eine Zusammenarbeit entsteht. Die gestaltet sich durch einen kooperativen Ansatz viel leichter. Der Unterschied zwischen einer einseitigen Möglichkeit des Bundes und einer einvernehmlichen Beschlusslage von Bund und Ländern ist also gar nicht so groß.
Föderalismus kann aber schon hinderlich sein, oder?
In jedem Fall bin ich ein Befürworter davon, dass wir im Föderalismus intelligenter zusammenarbeiten, als wir es heute tun. Es 11.400 Städten, Gemeinden und Landkreisen selbst zu überlassen, sich an das System anzuschließen, Finanzierungsfragen zu klären und Ressourcen einzusetzen, ist eine große Herausforderung. Wir alle wissen, dass Technik heute so beschaffen ist, dass Dinge an ein oder zwei Stellen betrieben und flächendeckend angeboten werden können. Das ist auch deutlich effizienter. Es wird sicher immer wieder eine Föderalismusdiskussion geben, und wir müssen sie auch führen. Das Gebot der Stunde ist aber, möglichst intelligent im bestehenden System zusammenzuarbeiten.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Juni 2022 von Kommune21 im Schwerpunkt OZG erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
Staatsmodernisierung: Konferenz vor der Konferenz
[03.12.2025] Mit einer „Konferenz für einen zukunftsfähigen Staat“ in Berlin wollte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst die Weichen für die bevorstehende Ministerpräsidentenkonferenz stellen, deren zentrale Themen Bürokratieabbau und Staatsmodernisierung sein werden. mehr...
eco: Zu kleiner Etat für den digitalen Aufbruch
[02.12.2025] Im November einigte sich der Haushaltsausschuss auf den BMDS-Etat für 2026. Viel Spielraum hat das Digitalministerium dennoch nicht, moniert der Internetwirtschaftsverband eco. Die Gelder fließen größtenteils in längst geplante Vorhaben, Mittel für echte Innovationen wie etwa KI liegen bei anderen Häusern. mehr...
IT-Planungsrat: Wichtige Digitalvorhaben beschlossen
[27.11.2025] Der IT-Planungsrat hat bei seiner letzten Sitzung des Jahres zentrale Beschlüsse zur Verwaltungsdigitalisierung gefasst. Er konkretisiert die EUDI-Wallet-Anbindung, übernimmt den KI-Marktplatz MaKI, stärkt Open-Source-Beschaffung und verstetigt die EfA-Lenkungsgruppe. mehr...
Föderale Modernisierungsagenda: Jetzt muss gehandelt werden
[25.11.2025] Der Nationale Normenkontrollrat mahnt die in der Föderalen Modernisierungsagenda vorgesehene bessere Aufgabenbündelung mit Nachdruck an. Die Ministerien müssten dieses Projekt konsequent weiterverfolgen, um Effizienz und Entlastung der Kommunen zu sichern. mehr...
Digitalministerkonferenz: Verwaltung im Fokus
[25.11.2025] Auf der vierten Digitalministerkonferenz fassten die Digitalministerinnen und -minister der Länder zentrale Beschlüsse zur Staats- und Verwaltungsmodernisierung. Sie wollen den Deutschland-Stack vorantreiben, wollen „Digital Only“ verbindlich verankern und fordern Tempo bei der Registermodernisierung. mehr...
Registermodernisierung: NOOTS-Staatsvertrag verabschiedet
[24.11.2025] Das Gesetz zum Staatsvertrag über das Nationale Once-Only-Technical-System hat den Bundesrat passiert. Nach Angaben der Bundesregierung kommt damit die Registermodernisierung von Bund, Ländern und Kommunen voran. mehr...
EU-Summit: Das war der Gipfel zur europäischen Digitalen Souveränität
[20.11.2025] Der Gipfel für Europäische Digitale Souveränität brachte rund 1.000 Spitzenvertreterinnen und -vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in Berlin zusammen. Das BMDS sieht darin den Startschuss für ein wettbewerbsfähigeres und souveräneres Europa. mehr...
Bund/BMDS: Der Digitalhaushalt steht
[17.11.2025] Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat den Haushalt 2026 für das Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung mit einem Gesamtvolumen von rund 4,47 Milliarden Euro gebilligt. Damit verfügt das BMDS erstmalig über einen eigenen, vollständigen Einzelplan, hinzu kommen Mittel aus dem Sondervermögen. mehr...
Thüringen: Ärmel hoch für Bürokratierückbau
[14.11.2025] Die Thüringer Landesregierung hat das Erste Thüringer Entlastungsgesetz initiiert. Es soll Bürokratie abbauen, Verfahren digitalisieren und Kommunen, Wirtschaft sowie Bürgerinnen und Bürger entlasten. Der Landtag berät voraussichtlich noch im Dezember über das Gesetz. mehr...
Hamburg: Annika Busse ist die neue CIO
[10.11.2025] Annika Busse ist die neue CIO der Freien und Hansestadt Hamburg. Die bisherige stellvertretende Hamburg-CIO hat zum 1. November die Nachfolge von Jörn Riedel angetreten, der nach langjährigem Wirken in den Ruhestand verabschiedet wurde. mehr...
eco-Umfrage: Mit Digitalpolitik unzufrieden
[07.11.2025] Ein halbes Jahr nach Gründung des Digitalministeriums zeigt sich laut einer Umfrage des eco: 68 Prozent der Befragten sind unzufrieden mit der Digitalpolitik. Der Verband fordert klare Prioritäten, verbindliche Ziele und mehr Koordination zwischen Bund, Ländern und Kommunen. mehr...
Saarland: Digitalisierungsstrategie für die Landesverwaltung
[07.11.2025] Eine digitale, bürgernahe und effiziente Verwaltung: Das ist das Ziel der neuen Strategie zur Digitalisierung der saarländischen Landesverwaltung, die jetzt vorgestellt wurde. Sie umfasst fünf Handlungsfelder und ist mit konkreten Maßnahmen hinterlegt. mehr...
Bürokratieabbau: Bund beschließt umfassende Entlastungen
[06.11.2025] Effizienz ja, Overhead nein – so lässt sich das Entlastungspaket zusammenfassen, welches der Bund gestern beschloss. Anfängliche Erwartungen wurden übertroffen: Das Kabinett hat sich auf über 50 Eckpunkte geeinigt, die nun in Gesetzesform gebracht werden müssen. Damit sollen Entlastungen in Milliardenhöhe realisiert werden. mehr...
BMDS: Aufbruch, Umbruch, Durchbruch
[31.10.2025] Das im Mai gegründete und noch im Aufbau befindliche Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung hat in einem Eckpunktepapier sein ehrgeiziges Zielbild für die zukünftige Arbeit entworfen. Dabei will es vieles anders machen als gewohnt. mehr...
IT-Planungsrat: Kommunaler Input zu digitalstrategischen Themen
[22.10.2025] Der IT-Planungsrat stellt die strategischen Weichen für die Verwaltungsdigitalisierung – und bindet dabei auch kommunale Perspektiven ein. Beim letzten Treffen des Kommunalgremiums ging es um die zentralen Bereitstellung von EfA-Leistungen und eine Aufgabenneuordnung zur Entlastung von Kommunen. mehr...














