EuropaDie Digitale Dekade
![Die EU-Kommission verfolgt eine ambitionierte Digitalstrategie.](https://www.move-online.de/wp-content/uploads/2022/10/39301_bild_gross1_AdobeStock_94576008_440.jpg)
Die EU-Kommission verfolgt eine ambitionierte Digitalstrategie.
(Bildquelle: Grecaud Paul/stock.adobe.com)
Auf der Klaviatur des Föderalismus rangieren Europa und Kommunen an entgegengesetzten Enden. In Kommunen ist häufig die Ansicht verbreitet, einen denkbar großen Abstand zur Europäischen Union und ihren Institutionen einzunehmen. Tatsächlich jedoch gibt die EU-Kommission in vielen Bereichen längst den Takt vor, so auch bei Digitalisierung und E-Government. Das Ziel, eine Harmonisierung zwischen den Mitgliedsländern zu erreichen und den Bürgerinnen und Bürgern der EU die vier Grundfreiheiten (Waren, Personen, Dienstleistungen, Kapital) zu gewährleisten, bringt vielfältige gesetzgeberische Aktivitäten mit sich, welche die digitale Organisation des europäischen Binnenmarkts betreffen. Mit diesem verbindet sich das Versprechen nach Wachstum, Innovation und Arbeitsplätzen.
Die aktuellen Maßnahmen der EU-Kommission sind im März 2021 in einer Digitalstrategie mit dem Titel „Europas digitale Dekade“ vorgestellt worden und sollen bis 2030 gelten. Sie umfassen die digitale Gesellschaft, digitale Technologien und Infrastrukturen, die Digitalwirtschaft sowie Politik und internationale Kooperationen. Auch elektronische Behördendienste sind inbegriffen, denn sie erst ermöglichen den grenzübergreifenden Informationsaustausch und die Handlungsfähigkeit zwischen Behörden, Unternehmen und Bürgern. So wie sich Menschen im gesamten EU-Raum frei bewegen und arbeiten können, dürfen Unternehmen ihre Geschäftstätigkeit in allen EU-Ländern frei ausüben. Von der Auftragsvergabe über Rechnungsstellung und Zahlungsdienste bis hin zu Sozialversicherungsdaten und Zoll sind viele unternehmerische Transaktionen gesetzgeberisch geregelt und elektronisch durchführbar.
Einheitliches digitales Zugangstor
Eine der weitreichendsten Brüsseler Vorgaben für Verwaltungen aller föderalen Ebenen in den EU-Ländern ist die Verordnung 2018/1724 zum Single Digital Gateway (SDG). Sie wurde im Jahr 2018 verabschiedet und zielt auf die Errichtung eines einheitlichen digitalen Zugangstors für Unternehmen und Bürger ab. Damit verpflichtet die EU die öffentlichen Verwaltungen dazu, die Verwaltungsdigitalisierung im eigenen Land voranzutreiben und nutzerorientiert umzusetzen. In Deutschland sind vor allem das Onlinezugangsgesetz (OZG) und das Projekt Registermodernisierung mit der Umsetzung dieser EU-Verordnung befasst. Erste Meilensteine wurde bereits erreicht.
Der Fahrplan der SDG-Verordnung sieht vor, dass die Mitgliedsländer Informationen über Verwaltungsleistungen und so genannte Unterstützungsdienste, mit denen Bürgern und Unternehmen bei der Wahrnehmung ihrer Rechte am europäischen Binnenmarkt geholfen wird, veröffentlichen. Hierfür steht das zentrale Europa-Portal „Your Europe“ bereit, das mit den Portalen der Mitgliedsstaaten verlinkt wird. In Deutschland ist 2021 eine Verknüpfung mit dem Verwaltungsportal des Bundes realisiert worden. Bislang wurden 23.000 auf FIM-Bausteinen basierende Informationsseiten sowie Metadaten an das Europa-Portal übermittelt.
Es hapert an den nötigen technischen Infrastrukturen
Für 2022 und 2023 steht die Integration von für den Single Digital Gateway relevanten Online-Diensten an. Zudem müssen Kommunen bis Ende 2022 Aufschluss geben über den Stand der Digitalisierung von Verwaltungsleistungen. Bislang ist lediglich das Online-Verfahren BAföG-Digital direkt an das Europa-Portal angeschlossen. Bis Ende 2023 sollen 21 der wichtigsten Verwaltungsverfahren aus den Lebensbereichen Geburt, Wohnsitz, Studium, Arbeit, Umzug, Ruhestand und Unternehmensgründung folgen und in allen Mitgliedsstaaten vollständig digital, grenzüberschreitend und medienbruchfrei abgerufen werden können. Darunter die Registrierung eines Kraftfahrzeugs, die Beantragung einer Europäischen Krankenversicherungskarte oder die Anmeldung von Pensionsansprüchen. Unternehmen sollen beispielsweise eine Geschäftstätigkeit anmelden, Beschäftigte registrieren und Körperschaftssteuern erklären können.
Ob dieses sportliche Ziel gelingt, ist ungewiss. Selbst im digitalen Österreich ist man von dieser Herausforderung nicht positiv überzeugt. Längst nicht überall liegen die technischen Infrastrukturen vor, die den transeuropäischen Informationsaustausch ermöglichen. Zudem soll es dem Willen der EU-Kommission zufolge Bürgern und Unternehmen abgenommen werden, ihre Daten wiederholt eingeben zu müssen, um Verwaltungsdienste zu beanspruchen. Hierfür steht das Once-Only-Technical-System (OOTS) der EU zu Verfügung. In Deutschland hängt Once Only an der Modernisierung der verschiedenen Register, für deren Umsetzung noch rechtliche Schritte und technische Anpassungen erforderlich sind. Datensätze müssen homogenisiert, ihre automatische Abfrage und Weitergabe legitimiert werden. „Priorisierte Register“ sollen bei uns bis Ende 2025 in Angriff genommen werden. Insofern erscheint das Jahr 2030, das die EU als Zielpunkt ihrer Digitalstrategie etwa auch für die Nutzung elektronischer Ausweise vorgesehen hat, realistischer.
Bei der eID hat Deutschland die Nase vorn
Bei der elektronischen Identität hat Deutschland ausnahmsweise die Nase vorn. Seit 2010 ist die eID in unseren Personalausweisen integriert und nun auch verpflichtend freigeschaltet. Gegenwärtig wird in Brüssel eine Revision der eIDAS-Verordnung von 2014 vorbereitet, die weitere digitale Identitäten berücksichtigt. Geburtsurkunden, Meisterbrief, Doktortitel oder Segelschein sollen in einer einheitlichen Digital Identity Wallet gesammelt werden können. Auch das Nutzerkonto Bund entspricht bereits den europäischen Vorgaben. Um digitale Verwaltungsdienste zu beanspruchen, müssen Bürgerinnen und Bürger ein eigenes Nutzerkonto anlegen, mit dem sie sich in einem Verwaltungsportal identifizieren. Hier hat sich das seit 2019 bereitgestellte Nutzerkonto des Bundes, das schon von 100.000 Menschen genutzt wird, als Servicekonto etablieren können. Mit der BundID sollen einmal auch europäische Verwaltungsdienste in Anspruch genommen werden können.
Digitalisierung ist Vernetzung. So wie sich Menschen am heimischen Computer mit ihrem Bürgeramt vernetzen, um einen Anwohnerparkausweis zu beantragen, sollen sie künftig auch innerhalb der EU die digitalen Dienste nutzen können – eine sicherlich große Erleichterung auf dem Arbeitssektor und für Unternehmen. Mit ihrer „Digitalen Dekade“ will die EU den Abstand zwischen Bürgern und Institutionen verkleinern. Es soll keine Rolle mehr spielen, auf welcher föderalen Ebene man sich bewegt, um einen Verwaltungsvorgang zu erledigen. Mit den digitalen Impulsen rücken Europa und Kommunen näher aneinander.
Zum Europa-Portal
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe August 2022 von Kommune21 im Schwerpunkt E-Government in Europa erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
Bund: Open Source bevorzugt
[26.07.2024] Eine Anpassung am E-Government-Gesetz hat der Bund verabschiedet. Demnach soll der Nutzung von Open Source Software in der Bundesverwaltung künftig Vorrang eingeräumt werden. mehr...
OZG-Änderungsgesetz: Reform tritt in Kraft
[26.07.2024] Es ist der Schlusspunkt unter einem aufwendigen Verfahren: Mit Inkrafttreten des OZG-Änderungsgesetzes ist die Reform des Onlinezugangsgesetzes nun abgeschlossen. mehr...
Bundesagentur für Arbeit: Zugang zu eServices mit BundID
[23.07.2024] Leistungen der Arbeitsagenturen, Jobcenter und Familienkassen können jetzt mit der BundID beantragt werden. mehr...
Bayern: Verwaltung muss arbeitsfähig bleiben
[15.07.2024] Bayerns Digitalminister sieht die konsequente Digitalisierung der Verwaltung als wichtige Möglichkeit, um den künftigen Ruhestand der Babyboomer-Generation und den dadurch entstehenden Fachkräftemangel zu kompensieren. Es gelte, die Potenziale von Standardisierung, Zentralisierung und KI zu nutzen. mehr...
OZG-Rahmenarchitektur: Ergebnisbericht zur Konsultation
[15.07.2024] Im Rahmen der Erarbeitung eines Zielbilds für die künftige gemeinsame OZG-Rahmenarchitektur hat von Oktober 2023 bis Januar 2024 ein begleitender und partizipativ gestalteter Konsultationsprozess stattgefunden. Dessen Ergebnisse liegen jetzt vor. mehr...
SEMIC-Konferenz: Kooperation für ein interoperables Europa
[12.07.2024] Auf der diesjährigen SEMIC-Konferenz, die unter dem Motto „Interoperable Europe: From Vision to Reality“ in Brüssel stattfand, stellte Staatssekretär Markus Richter seine Vision eines interoperablen Europas vor. Dieses fußt auf einer engen Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten im Digitalisierungsbereich. mehr...
Bundesrat: Mehr Druck beim DigitalPakt 2.0
[11.07.2024] Mit dem DigitalPakt Schule hat der Bund Länder und Kommunen bei Investitionen in die digitale Bildungsinfrastruktur unterstützt – bis Mai dieses Jahres. Nun verhandeln Bund und Länder über die Anschlussfinanzierung. Im Bundesrat sprachen sich die Länder für eine verlässliche Fortführung bis 2030 aus. mehr...
PD: Reformagenda für den Public Sector
[09.07.2024] In einem Strategiepapier entwirft das Beratungsunternehmen PD ein Zielbild für den Public Sector von morgen. Um den Public Sector zukunftsfähig zu machen, reichen demnach Einzelmaßnahmen nicht aus. Daher will PD vier große Reformbereiche mit einem umfassenden Ansatz adressieren. mehr...
Digitales Bayern: Der Sound der Zukunft
[05.07.2024] Bayern segelt auf Innovationskurs, sagt Fabian Mehring. Kommune21 sprach mit dem Digitalminister des Freistaats über die Reorganisation seines Ressorts, seine Pläne für einen innovativen Staat und die Rolle der Kommunen dabei. mehr...
eGovernment Benchmark 2024: Nutzerzentrierung ist der Schlüssel
[05.07.2024] Laut dem jüngsten eGovernment-Benchmark-Report der Europäischen Kommission haben die europäischen Staaten bei der Bereitstellung digitaler Behördendienste stetige Fortschritte gemacht. Raum für Optimierungen gibt es insbesondere bei grenzüberschreitenden Diensten und bei Dienstleistungen, die von regionalen und kommunalen Behörden erbracht werden. mehr...
Rheinland-Pfalz: Neue Digitalministerin ernannt
[03.07.2024] Neue Ministerin für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung in Rheinland-Pfalz wird Dörte Schall. Der bisherige CIO/CDO der Landesregierung, Fedor Ruhose, soll Chef der Staatskanzlei werden. mehr...
Thüringen: Zehn Millionen Euro für kommunale Digitalisierung
[02.07.2024] Das Land Thüringen will die kommunale Digitalisierung mit zehn Millionen Euro fördern. Das geht aus der neuen Thüringer E-Government-Richtlinie hervor, die jetzt offiziell veröffentlicht wurde. Gefördert werden unter anderem digitale Fachverfahren und Schnittstellen, IT-Sicherheits-Maßnahmen und die interne Prozessoptimierung. mehr...
Bürokratieabbau: Jahresbericht des Sächsischen Normenkontrollrats
[01.07.2024] Mit der Erfüllungsaufwandsdarstellung neuer Regelungen soll der Sächsische Normenkontrollrat zu mehr Transparenz beitragen und Erkenntnisse zum Bürokratieabbau in Sachsen wie auch im bundesweiten Vergleich liefern. Nun liegt der Jahresbericht für 2023 vor. mehr...
Cloud-Strategie: Bundeskanzleramt verwirft Deutsche Verwaltungscloud
[27.06.2024] Mit einem ungewöhnlichen Schritt brüskiert das Kanzleramt alle Initiativen rund um die Deutsche Verwaltungscloud und drängt die Bundesländer zu einem Vertragsabschluss mit Delos, einer in Deutschland betriebenen Variante der Microsoft Azure Cloud. mehr...
IT-Planungsrat: Weichenstellung für modernen Föderalismus
[20.06.2024] Als zentrales Steuerungsgremium für die Digitalisierung der Verwaltung gestaltet der IT-Planungsrat den organisatorischen, rechtlichen und finanziellen Rahmen der Verwaltungsdigitalisierung. In seiner letzten Sitzung traf das Gremium weitreichende Beschlüsse, die bei der Umsetzung zu mehr Tempo und Effizienz führen sollen. mehr...