Schleswig-HolsteinDigitale Souveränität in der Praxis

[18.09.2025] Schleswig-Holstein führt die offene Videokonferenzlösung OpenTalk in der Landesverwaltung ein. Die Entscheidung für Open Source ist nicht allein die Reaktion auf aktuelle Herausforderungen – sondern ein strategischer Schritt zu mehr Selbstbestimmung und Innovationskraft im öffentlichen Sektor.
Blick über die Schulter einer jungen Frau, auf deren Laptop eine Videokonferenz läuft.

Open Source-Lösungen in der Verwaltung funktionieren - das zeigt das Beispiel Schleswig-Holsteins.

(Bildquelle: OpenTalk)

Während der Pandemie wurden Videokonferenzen nahezu über Nacht zum unverzichtbaren Arbeitsmittel – auch in der Landesverwaltung von Schleswig-Holstein. Während viele Behörden auf kommerzielle Plattformen setzten, entschied sich das nördlichste Bundesland für einen anderen Weg: Mit OpenTalk wird dort seit diesem Jahr flächendeckend eine Open-Source-Videokonferenzlösung eingeführt, die speziell auf die Anforderungen des öffentlichen Sektors zugeschnitten ist. Die Lösung gehört zum Portfolio der Berliner Heinlein Gruppe.

Der Einsatz von OpenTalk war weit mehr als eine rein technische Entscheidung. Die Landesregierung verfolgt damit eine klare strategische Zielsetzung. Schleswig-Holstein möchte sich unabhängig machen von proprietären Anbietern, deren Geschäftsmodelle, Datenschutzrichtlinien und Hosting-Standorte außerhalb des europäischen Rechtsrahmens liegen. Diese Haltung ist Ausdruck eines gesamtgesellschaftlichen Wandels: Digitale Souveränität wird zunehmend als Grundvoraussetzung für eine moderne Verwaltung verstanden – nicht als abstraktes Ideal, sondern als konkrete Anforderung an Infrastruktur und IT-Systeme.

Praxistauglichkeit als Erfolgsfaktor

Vor dem flächendeckenden Roll-out wurde OpenTalk in einem sechsmonatigen Proof of Concept in ausgewählten Landesbehörden mit über 200 Mitarbeitenden unter realen Bedingungen getestet – unter anderem auch vom Digitalisierungsminister selbst. Der Praxistest zeigte eine hohe Nutzerakzeptanz – auch wegen der intuitiven Benutzeroberfläche – und überzeugende Funktionalitäten, insbesondere mit Blick auf die Anforderungen des öffentlichen Dienstes. So ermöglicht es die mandantenfähige Architektur, alle Ministerien und Landesbehörden unter einem gemeinsamen System zu verwalten, ohne dass die organisatorische Trennung verloren geht. Ein weiterer Faktor für den Erfolg von OpenTalk in Schleswig-Holstein liegt in der nahtlosen Integration in die bestehende Verwaltungslandschaft. Während kommerzielle Videokonferenzlösungen oft als isolierte Inselsysteme funktionieren, wurde OpenTalk von Anfang an für die komplexen Anforderungen der öffentlichen Verwaltung konzipiert.

Sicherheit durch Transparenz

Ein zentrales Argument für Open-Source-Lösungen ist ihre Transparenz. Das gilt auch für OpenTalk: Der Quellcode ist öffentlich einsehbar und kann von IT-Sicherheitsexperten unabhängig geprüft werden. Dieses Prinzip der prüfbaren Sicherheit ist in Zeiten wachsender Cyberbedrohungen ein entscheidender Vorteil – gerade für Behörden, die täglich mit sensiblen Daten arbeiten. OpenTalk wird in Schleswig-Holstein vollständig On-Premises im BSI-zertifizierten Twin Data Center betrieben, unter Einhaltung aller Anforderungen der DSGVO. Alle Daten verbleiben ohne Abhängigkeiten von Clouddiensten Dritter in Deutschland und unterliegen dem deutschen Rechtsrahmen.

Wirtschaftlich nachhaltig und unabhängig

Auch wirtschaftlich bietet Open Source klare Vorteile. Schleswig-Holstein spart nicht nur laufende Lizenzgebühren, sondern investiert gezielt in Support und Wartung – also in konkrete Leistungen statt in proprietäre Nutzungslizenzen. Das schafft langfristige Kostentransparenz und Unabhängigkeit. Weiterentwicklungen kann das Land passgenau direkt beim Hersteller beauftragen. Gleichzeitig stärkt das Land mit seinem Engagement den deutschen Open-Source-Sektor und fördert europäische Alternativen zu dominierenden US-Plattformen.

Ein Modell für ganz Deutschland

Mit der Entscheidung für OpenTalk setzt Schleswig-Holstein ein deutliches Signal: Digitale Souveränität ist machbar – und wirtschaftlich wie technisch sinnvoll umsetzbar. Rund 2.000 Mitarbeitende nutzen die Lösung bereits, bis Ende 2025 soll der Roll-out auf sämtliche Landesbehörden erfolgen. Das Projekt kann als Referenzmodell für andere Bundesländer und Kommunen dienen. Mit Schleswig-Holstein und Thüringen setzen gleich zwei Leuchtturm-Bundesländer auf OpenTalk und zeigen, dass Open-Source-Lösungen nicht nur in der Theorie überzeugen, sondern ganz konkret in der Praxis. Andere Länder und Kommunen sollten dieses Beispiel ernst nehmen. Die Frage ist nicht, ob Open-Source-Lösungen in der Verwaltung funktionieren, sondern wann sie flächendeckend eingesetzt werden. Schleswig-Holstein hat bereits die Antwort gegeben.

Dennis Kalbhen ist Direktor technische Services OpenTalk.




Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Digitale Souveränität
Printversion der Studie liegt auf einem hellgrauen Tisch.

Next:Public: Studie belegt deutliche Souveränitätslücken

[16.12.2025] Die öffentliche Verwaltung aller Ebenen ist stark von außereuropäischen IT-Anbietern abhängig. Eine neue Studie unterfüttert diesen Befund erstmals mit konkreten Zahlen. Vor allem bei Standardsoftware zeigt sich ein struktureller Lock-in. Die Umstellung von On-Premise-Systemen auf Cloud-Dienste könnte ein möglicher Ausweg sein. mehr...

Berliner Rathaus, daneben der Fernsehturm

Berlin: Weichenstellung für Verwaltungs-IT

[15.12.2025] Der Berliner Senat hat zwei Beschlüsse zur Weiterentwicklung der Verwaltungs-IT gefasst. Eine Open-Source-Strategie soll digitale Souveränität und offene IT-Strukturen stärken. Zudem schafft eine Änderung des E-Government-Gesetzes eine Rechtsgrundlage für den KI-Einsatz. mehr...

Digitalisierungsminister Dirk Schrödter hat die neue Digitalstrategie für Schleswig-Holstein in Kiel vorgestellt.

Schleswig-Holstein: Open Source spart Millionen

[08.12.2025] Digitale Souveränität ist möglich und wirtschaftlich – das zeigt Schleswig-Holstein, indem es zentrale IT-Komponenten auf quelloffene Software umstellt. Schon fast 80 Prozent der Arbeitsplätze in der Landesverwaltung nutzen LibreOffice. Als limitierender Faktor erweisen sich einige Fachanwendungen. mehr...

Eingangstür des ITDZ Berlin

Digitale Souveränität: Berlin plant openDesk-Einsatz

[05.12.2025] Berlin plant nach erfolgreichen Tests im CityLab die Einführung der quelloffenen Officesuite openDesk in der Verwaltung. Das ITDZ stimmt sich dazu eng mit der Senatskanzlei und dem ZenDiS ab und bereitet erste Bereitstellungen einzelner Komponenten vor. mehr...

Junge Frau im Hörsaal lächelt in die Kamera

DAAD: Neue Infrastruktur stärkt digitale Souveränität

[26.11.2025] Um eine zukunftsfähige IT-Basis für den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) zu schaffen, wurde die virtuelle Infrastruktur der Organisation auf eine hochverfügbare, Open-Source-basierte IaaS-Plattform migriert. Unterstützt wurde der DAAD dabei von dem Unternehmen GISA. mehr...

Französische und deutsche Flagge wehen nebeneinander, im Hintergrund leicht bewölkter blauer Himmel.

BSI/ANSSI: Gemeinsame Kriterien zur Cloud-Souveränität

[19.11.2025] BSI und ANSSI wollen EU-weite Kriterien für souveräne Cloud-Dienste entwickeln und eine Methodik zu deren Prüfung vorlegen. Die Vereinbarung soll einheitliche Sicherheitsanforderungen schaffen und öffentlichen wie privaten Stellen klare Orientierung bieten. mehr...

Delos Cloud: Deutsch-französische Cloud-Allianz

[19.11.2025] Um die Verfügbarkeit von Cloud-Diensten in Europa auch in Notlagen zu gewährleisten, haben Delos Cloud, der französische Cloud-Dienstleister Bleu und Microsoft eine Kooperation vereinbart. Diese Absprachen wurden beim deutsch-französischen EU-Gipfel zur digitalen Souveränität in Berlin bekannt gegeben. mehr...

Peter H. Ganten – CEO Univention und Vorstandsvorsitzender der Open Source Business Alliance

OSBA: Stellungnahme zum Deutschland-Stack

[17.11.2025] Mit dem Deutschland-Stack will die Bundesregierung Rahmenbedingungen und eine technologische Basis für Digitalvorhaben festlegen. Die OS Business Alliance warnt vor „Souveränitäts-Washing“ und fordert eine klare Ausrichtung auf offene Standards und Schnittstellen. mehr...

Dataport: Abschluss des Programms Phoenix

[03.11.2025] Nach der Übergabe des Programms Phoenix an das ZenDiS zieht Dataport eine gemischte Bilanz: Das Vorhaben war finanziell wohl schmerzhaft, habe aber die digitale Souveränität insgesamt vorangebracht und das eigene Innovationspotenzial gestärkt. mehr...

Eine Reihe von Flaggenmasten mit EU-Flaggen vor einer modernen Fassade.

Europa: Digitale Stärke zurückgewinnen

[31.10.2025] Frankreich, Deutschland, Italien und die Niederlande wollen Europas digitale Unabhängigkeit stärken und gründen das Digital Commons European Digital Infrastructure Consortium. Ziel ist der gemeinsame Aufbau offener, interoperabler und souveräner digitaler Infrastrukturen. mehr...

Österreich: Wirtschaftsministerium setzt auf Nextcloud

[27.10.2025] Durch eine klare Strategie und pragmatische Entscheidungen ist es möglich, dem Ziel einer digital souveränen Verwaltung sukzessive näher zu kommen. Das zeigt das Beispiel des österreichischen Wirtschaftsministeriums, das jetzt die quelloffene Cloudlösung Nextcloud einsetzt. mehr...

Zwei Männer in dunklen Anzügen sitzen vor Fahnen an einem Tisch und unterzeichnen Papiere.

Schleswig-Holstein/Mecklenburg-Vorpommern: Gebündelte Digitalkompetenzen

[23.10.2025] Eine neue Kooperationsvereinbarung zwischen Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern soll digitale Souveränität und IT-Sicherheit in beiden Ländern stärken. Unter anderem sollen gemeinsame Strategien verfolgt und die Nachnutzung von Entwicklungen ermöglicht werden. mehr...

Logo "Summit in European Digital Sovereignity"

BMDS: Gipfel zur Europäischen Digitalen Souveränität

[21.10.2025] Frankreich und Deutschland richten am 18. November 2025 in Berlin einen hochrangigen Gipfel zur digitalen Souveränität Europas aus. Es soll möglich sein, die Veranstaltung im Livestream zu verfolgen. mehr...

Kleines modernes Auditorium, Blick über das vorwiegend männliche Publikum zu Dirk Schrödter, der auf der Bühne steht.

Schleswig-Holstein/Österreich: Grenzübergreifend digital souverän

[20.10.2025] Eine Delegation der österreichischen Bundesverwaltung hat sich in Schleswig-Holstein über den laufenden Umstieg auf Open Source und offene Innovationen informiert – ein Austausch, bei dem beide Seiten betonten, dass digitale Souveränität nur gemeinsam gelingen kann. mehr...

bericht

Smart Country Convention: Cloud First bei Registern

[02.10.2025] Auf einem Panel am Stand von Amazon Web Services (AWS) auf der Smart Country Convention wurde diskutiert, wie die Registermodernisierung in der Cloud souverän gestaltet werden kann. Dabei spielt Confidential Computing eine zentrale Rolle. mehr...