Hochschule SchmalkaldenErstes KI-Projekt gestartet

[23.05.2024] Hochschulen und Universitäten diskutieren vor allem die Auswirkungen von KI auf Lehre, Studium und Prüfungen. Die Hochschule Schmalkalden zeigt, wie sie die neuen Technologien auch im wissenschaftsunterstützenden Bereich nutzen können.
Das Bild zeigt den Campus der Hochschule Schmalkalden mit Gruppen von Studierenden.

Campus der Hochschule Schmalkalden: Compliance-Tätigkeiten werden mit KI unterstützt.

(Bildquelle: Hochschule Schmalkalden)

Wie jedes Wirtschaftsunternehmen sehen sich auch Hochschulen heute zunehmenden Compliance-Anforderungen ausgesetzt. Zahlreiche Prüfungen in den unterschiedlichsten Rechtsbereichen müssen durchgeführt werden. Beispiel Prüfung des § 2b im Bereich der Umsatzsteuer: Diesen Paragraphen gibt es nun schon eine ganze Weile, genau seit 2016. Demnach sind juristische Personen des öffentlichen Rechts (jPöR) zukünftig nicht mehr grundsätzlich privilegiert und wie bisher nur im Bereich der Betriebe gewerblicher Art (BgA) mit der Umsatzsteuer konfrontiert. 

Zukünftig werden sich auch bisher nicht betroffene Bereiche, wie etwa die bisher häufig unter die Beistandsleistungen fallenden Kooperationen von jPöR, verstärkt mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob und in welchem Umfang gegebenenfalls eine umsatzsteuerlich relevante Leistung erbracht wird. Allerdings gibt es eine Übergangsfrist, die eine Anwendung der neuen Regelungen erst ab dem 1. Januar 2025 ermöglicht. Diese wird auch von der Hochschule Schmalkalden genutzt. Insofern ist derzeit vieles in Vorbereitung auf die dann geänderte Rechtslage und deren Auswirkungen.

Die umsatzsteuerliche Einordnung der einzelnen Leistungen und Tätigkeiten ist seither für die Hochschulen mit erheblichem Aufwand verbunden, sowohl bei der erstmaligen Beurteilung der bestehenden Leistungsbeziehungen als auch langfristig bei jeder neu entstehenden oder sich im Zeitablauf ändernden Leistungsbeziehung.

In Schmalkalden hat sich in den vergangenen Jahren eine Wirtschaftsjuristin mit Schwerpunkt Steuerrecht damit beschäftigt. Mit dem Prüfschema für § 2b-Tatbestände in einer Excel-Tabelle auf der einen Seite und dem jeweiligen Vertrag auf der anderen Seite ging sie den Vertrag Absatz für Absatz durch, verglich ihn mit dem Prüfschema und machte sich entsprechende Notizen in der Excel-Tabelle. 

Aufwendige Umsatzsteuer-§2b-Prüfung 

Immer mehr Stunden wurden dafür aufgewendet, weil die Menge und Komplexität der zu prüfenden Sachverhalte aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln nicht zuletzt durch Neuerungen wie die § 2b-Prüfung ständig zunimmt – Zeit, die für anspruchsvollere Compliance-Tätigkeiten fehlt. Und das Vertragswesen im Hochschulbereich ist komplex. Jährlich werden mehrere hundert neue Verträge abgeschlossen, die sich im Detail voneinander unterscheiden. Der Fachkräftemangel, der auch in Thüringen grassiert, macht es nicht leicht, zusätzliches Personal für die Prüfung zu finden.

„Diese Lücke lässt sich mit Künstlicher Intelligenz (KI) gut schließen“, sagt Wolfgang Ramsteck, Kanzler der Hochschule Schmalkalden. „Wir entlasten unsere Kolleginnen und Kollegen, indem wir weniger komplexe Sachverhalte wie eben § 2b Umsatzsteuergesetz mit KI prüfen.“ Mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO wurde ein Projekt aufgesetzt, das von den Technologiepartnern Cloudflight Germany und alphaQuest unterstützt wird. Für BDO entschied sich die Universität auch wegen deren ausgewiesener Expertise im Bereich Steuern und Beihilfen im Hochschulbereich. Die BDO wiederum griff auf das KI-Know-how ihrer Partner zurück.

Tax Compliance – maschinell überprüft 

Zum Einsatz kommt die Lösung CalcuVATor. Der Name, der sich aus dem englischen calculator und value added tax (VAT) zusammensetzt, steht für die Fähigkeit, Rechnungen auf die Einhaltung der Anforderungen des Umsatzsteuergesetzes zu prüfen, Verträge mittels KI zu analysieren und am Ende die Vorsteuer zu verrechnen. Für eine relativ kleine Hochschule wie Schmalkalden ist der Vorsteuerabzug allerdings eher eine Nachnutzungsoption, wie Wolfgang Ramsteck erklärt. Den Kanzler interessiert vielmehr die Möglichkeit, ellenlange Verträge maschinell nach umsatzsteuerrelevanten Vorgängen durchsuchen zu lassen, damit compliant zu werden und gleichzeitig sein Team von aufwendiger Handarbeit zu entlasten.  

In der CalcuVATor-Anwendung wird das entsprechende Prüfschema auf Basis des Open Source Large Language Models Llama 70B interpretiert. Anhand einer Auswahl von Verträgen wurde die Inferenz des KI-Modells dahingehend optimiert, dass die Prüffragen des Prüfschemas anhand der jeweils relevanten Textstellen aus den Verträgen beantwortet werden. Ergebnis: Die Wirtschaftsjuristin stellt zukünftig das jeweilige Prüfschema sowie den Vertrag zur Verfügung, erhält die relevanten Textstellen der Prüffragen mit einer Einstufung (umsatzsteuerrelevant oder nicht) und kann ihr Häkchen setzen – ohne den Vertrag komplett lesen zu müssen.

Beihilfe- und Außenwirtschaftsrecht als weitere Einsatzgebiete

„Das Thema Compliance zieht sich durch viele Bereiche über das Vertragswesen hinaus. Wir sehen daher noch viele weitere Einsatzmöglichkeiten für Künstliche Intelligenz“, sagt Wolfgang Ramsteck. Zum Beispiel im Beihilferecht, wo – ähnlich wie bei Verträgen – mit Checklisten geprüft wird, ob bestimmte Forschungsvorhaben wirtschaftlich sind oder nicht, um den Anforderungen des Beihilferechts zu genügen. Nichtwirtschaftlichkeit ist der Regelfall, aber um das festzustellen, muss wieder der gesamte Sachverhalt geprüft werden.

KI kann auch im Außenwirtschafts- und Exportkontrollrecht helfen – im Hochschulbereich aufgrund der allgemeinen Weltlage derzeit sehr virulent. Unterliegen bestimmte Technologien der Exportkontrolle? Sind Partner aus Staaten betroffen, bei denen besondere Sensibilität geboten ist?

Komplette Prozesse im Drittmittelbereich durch KI unterstützen lassen 

Der Einsatz von KI lässt sich entlang des gesamten Prozesses eines Forschungsprojekts veranschaulichen. Eine kleine Hochschule wie Schmalkalden kann damit ihre Compliance-Anforderungen besser erfüllen. Drittmittelfinanzierte Forschungsprojekte machen Compliance notwendig. Das Projektgeschäft entwickelt sich dynamisch. Hier kann KI helfen, Spitzen auszugleichen. Der Kanzler kann sich auch gut vorstellen, eine niedrigschwellige Zugriffsmöglichkeit auf KI-Anwendungen für die einzelnen Forscherinnen und Forscher einzurichten. „Diese haben vielleicht schon eine erste Idee, eine erste Ausschreibung und wollen vorab wissen, was bürokratisch auf sie zukommt. Die damit verbundenen administrativen Aufgaben durch Künstliche Intelligenz zu unterstützen, wäre ein immenser Effizienzgewinn für die Universitäten“, betont er.

Brian Wirth ist Projektleiter bei Cloudflight; Marc Seiger ist Berater Öffentlicher Sektor bei BDO.




Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Hochschul-IT Künstliche Intelligenz
Eine Person arbeitet an einem Laptop mit der KI-basierten Text-Assistenz F13.

Baden-Württemberg: KI-Assistenz F13 wird Open Source

[24.07.2025] Baden-Württemberg veröffentlicht seine KI-Assistenz F13 als Open Source. Die Software unterstützt Verwaltungsbeschäftigte beim Recherchieren und Zusammenfassen. Ab sofort soll sie kollaborativ weiterentwickelt und bundesweit eingesetzt werden können. mehr...

Die BfDI Johanna Specht-Riemenschneider, halbnah, in einem Türrahmen lehnend. Im Hintergrund sieht man ein hell eingerichtetes Büro.

BfDI: Praktisches Wissen über KI-Modelle gesucht

[23.07.2025] Noch immer sind zahlreiche Fragen nach dem Schutz personenbezogener Daten beim Training von KI-Modellen offen. Um praktikable datenschutzrechtliche Ansätze zu entwickeln, hat die BfDI nun eine Konsultation gestartet. Gefragt sind Erfahrungen, Herausforderungen und Lösungen aus der Praxis. mehr...

Dank elektronischer Beschaffung den Einkauf optimieren und Geld sparen.

Nordrhein-Westfalen: Vergabe mit KI-Unterstützung

[22.07.2025] Nordrhein-Westfalen schafft mit einer KI-gestützten Software einen landesweiten digitalen Standard für Ausschreibungen. Nach den Kommunen steht die Lösung nun auch Landesbehörden zur Verfügung – vor allem für die inhaltlichn Vorbereitung von Vergabeverfahren. mehr...

Nahaufnahme weibliche Hände an einer Tastatur

Niedersachsen: Kommunen können LLMoin nutzen

[22.07.2025] Der KI-basierte Verwaltungsassistent LLMoin steht ab sofort auch den Kommunen in Niedersachsen zur Verfügung. Die Landesregierung, die das Tool seit einigen Monaten pilotiert, hat ihren Rahmenvertrag entsprechend angepasst. mehr...

Porträt des LfD Niedersachsen, Denis lehmkemper

Niedersachsen: KI datenschutzkonform einsetzen

[15.07.2025] Niedersachsens LfD Denis Lehmkemper hat dem Landtag einen Bericht zum datenschutzkonformen KI-Einsatz übergeben. Dieser fasst die Ergebnisse eines mehrstufigen Expertendialogs zusammen und formuliert konkrete Empfehlungen an Landesgesetzgeber und Landesregierung. mehr...

Verpixelte, in Blau gehaltene Ansicht eines Bildschirms, der neben zahlreichen Nullen und Einsen die Buchstaben "KI" zeigt.

Rheinland-Pfalz: LLMoin kommt

[11.07.2025] Auf das bereits von anderen Bundesländern genutzte KI-Assistenzsystem LLMoin setzt jetzt auch die Landesregierung Rheinland-Pfalz. Sie erweitert damit ihr „Ökosystem KI“. mehr...

Cover des ÖFIT-Impulspapier zu Kompetenzaufbau im Bereich GenKI

ÖFIT-Impulspapier: KI braucht Kompetenzen

[09.07.2025] Standardisierte, aber sehr arbeitsintensive Prozesse kennzeichnen große Teile der Verwaltung. Generative KI-Systeme können dabei für erhebliche Entlastung sorgen. Das ÖFIT hat nun ein Impulspapier veröffentlicht, das sich mit dem Kompetenzaufbau in diesem Bereich befasst. mehr...

Doppelbelichtung der Hand eines Mannes, der ein digitales Gerät hält und verwendet, und Gehirn-Hologramm-Zeichnung. Datenkonzept.

Bundesnetzagentur: KI-Service Desk gestartet

[06.07.2025] Mit einem neuen Beratungsangebot will die Bundesnetzagentur Unternehmen und Behörden beim Einsatz Künstlicher Intelligenz unterstützen. Der KI-Service Desk informiert über die neue EU-Verordnung. Ein Online-Tool hilft bei der Einordnung von Risiken. mehr...

BSI: Leitfaden zur Datenqualität in KI-Systemen

[04.07.2025] Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik stellt erstmals eine systematische Hilfestellung bereit, um Qualitätsanforderungen aus der EU-KI-Verordnung (AI Act) in der Entwicklung von KI-Systemen technisch umzusetzen und dokumentierbar zu machen. mehr...

Futuristisches Technologienetzwerk in Form eines Gehirns.

Analyse: Wie kann KI in Fachverfahren effektiv unterstützen?

[26.06.2025] Wie Künstliche Intelligenz (KI) in digitale Verwaltungsprozesse integriert werden kann, zeigt eine Studie der Bundesdruckerei und des Beratungsunternehmens Possible. Der Report konzentriert sich auf kurzfristig umsetzbare Einsatzmöglichkeiten. Es stehen 16 Fachverfahren und drei zentrale KI-Technologien im Fokus. mehr...

BSI: Kriterien für sicheren KI-Einsatz

[26.06.2025] Beim Zukunftskongress hat das BSI einen Kriterienkatalog für den sicheren Einsatz generativer KI in der Bundesverwaltung vorgestellt. Die Publikation adressiert KI-typische Sicherheitsrisiken und soll als Orientierungshilfe für Behörden dienen. mehr...

Personengruppe in Smart Casual-Kleidung hat sich zum Fototermin nebeneinander gestellt.

ITZBund/Materna/Nvidia: KI hilft bei der Softwareentwicklung

[25.06.2025] Um die Digitalisierungsprojekte des Bundes schneller voranzubringen und die daran beteiligten Entwickler zu entlasten, starten Materna, ITZBund und Nvidia ein Pilotprojekt für Softwareentwicklung mit KI-Unterstützung mehr...

Doppelbelichtung von einem paar Hände, die Geld zählen, davor der Umriss einer Weltkugel.

Nordrhein-Westfalen: Terrorfinanzierung mit KI aufspüren

[20.06.2025] Geldströme finden, die der Terrorismusfinanzierung dienen könnten – bei dieser Aufgabe soll das Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität in Nordrhein-Westfalen bald durch KI unterstützt werden. Das Land und das Fraunhofer IAIS vereinbarten eine entsprechende Kooperation. mehr...

Hessen: Mit KI gegen Steuerkriminalität

[13.06.2025] Nach der erfolgreichen KI-gestützten Auswertung der Panama Papers und weiterer Daten-Leaks geht die Hessische Steuerverwaltung den nächsten Schritt. Die Forschungsstelle Künstliche Intelligenz (FSKI) trägt mit KICC – KI gegen Cum-Cum – entscheidend zur Aufklärung von Cum-Cum-Geschäften bei. mehr...

500-Euro-Scheine unter der Lupe

Nordrhein-Westfalen: KI-Einsatz bei der Steuerfahndung

[12.06.2025] Künstliche Intelligenz soll dem nordrhein-westfälischen Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität künftig dabei helfen, in digitalen Asservaten Beweise für Terrorfinanzierung zu finden. Das Pilotprojekt wird gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut IAIS durchgeführt. mehr...