Smart Country ConventionDigitalisierung als buntes Puzzle

[24.10.2022] Auf der Smart Country Convention war viel Bekanntes über die Verwaltungsdigitalisierung zu hören. Trotz unterschiedlicher Geschwindigkeiten in den Bundesländern werden Rufe nach „Digital first“ lauter.

Es wäre ja zu schön, um wahr zu sein, wenn auf einer Kongressmesse wie der Smart Country Convention (SCCON), die vergangene Woche (18. bis 20. Oktober 2022) in Berlin stattfand, ein richtungsweisender Impuls für den weiteren Verlauf der Digitalisierung zu vernehmen gewesen wäre. Das Onlinezugangsgesetz (OZG) läuft bekanntlich Ende des Jahres aus, ein OZG 2.0 ist jedoch noch nicht in Sicht. Die Gelegenheit war jedenfalls günstig. Genügend Publikum ließ sich auf der SCCON durchaus blicken – laut Veranstalter waren es 12.000 Besucher. Viel politische Prominenz war ebenfalls zugegen: darunter vier Bundes- und einige Landesminister, jede Menge Chief Digital Officer und Führungspersonal vieler Ressorts und Unternehmen. Zudem präsentierten 215 Aussteller aus Privatwirtschaft und öffentlicher Hand ihre Produkte und Ergebnisse auf bunten Messeständen.

BSI als Zentralstelle für Cyber-Sicherheit

#bild2 Bundesinnenministerin Nancy Faeser forderte in ihrer Eröffnungs-Keynote, dass „alle Verwaltungsleistungen jederzeit und von jedem Ort aus digital genutzt werden können“, wie es schon im Digitalprogramm der Bundesregierung geschrieben steht. Weitere Stichworte ihrer Rede: mehr Wertschöpfung durch Nutzung von Daten, grenzüberschreitende digitale Identitäten und neue Formen der digitalen Zusammenarbeit, staatliche Resilienz und Souveränität. Faeser kündigte zudem an, mehr Anstrengungen in eine moderne und zentral gesteuerte Cyber-Sicherheitsarchitektur legen zu wollen und hierfür einen Chief Information Security Officer zu benennen. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), dessen Chef, Arne Schönbohm, sich Faeser jüngst entledigt hatte, soll als Zentralstelle für Cyber-Sicherheit ausgebaut werden und die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in diesem Bereich institutionalisieren.

BIM-Portal des Bundes

Klara Geywitz, Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, ist in ihrem Ressort ebenfalls mit Digitalisierung befasst und stellte auf der SCCON das kürzlich gestartete BIM-Portal des Bundes (wir berichteten) vor. BIM steht für Building Information Modeling und zielt auf vernetzte Planung, Bau und Bewirtschaftung von Gebäuden ab. Im BIM-Portal sollen Daten von digitalen Bauwerksmodellen gesammelt und den beteiligten Akteuren verfügbar gemacht werden. Auf diese Weise sollen sich Bauprozesse beschleunigen lassen. Geywitz wies darauf hin, dass schon die Antragsdauer bei Bauanträgen zu lang sei und inzwischen ein Investitionshemmnis darstelle. Auch beim Wohngeld machte sie ein Hemmnis bei der Umsetzung politischer Entscheidungen aus: Ab Januar 2023 sei mit einem Anstieg von 600.000 auf zwei Millionen Anträge zu rechnen, worauf viele Kommunen mangels Personals und digitaler Verfahren nicht vorbereitet seien.

Masterplan Lade-Infrastruktur II

Digitalisierungs- und Verkehrsminister Volker Wissing feierte das angekündigte papierlose Deutschland-Ticket als „größte Revolution im ÖPNV“ und freute sich darüber, damit die „unfassbar komplexe Tarifstruktur zu überwinden“. Ebenso stellte er ein flächendeckendes Ladenetz für die E-Mobilität in Aussicht und verwies auf den Masterplan Lade-Infrastruktur II, der die engere Verzahnung von Elektromobilität und Stromnetzen vorsieht. Auch Wissing ging in seiner Keynote auf das BIM-Portal des Bundes ein und erklärte, dass sich mithilfe vernetzter Modelle und digitaler Zwillinge 20 Prozent Planungszeiten beim Bauen einsparen ließen. Sein Ministerium ist mit mehr als 50 Leistungen auch bei der OZG-Umsetzung vertreten, darunter der digitale Erstantrag auf den Führerschein.

Priorisierung beim OZG

SPD-Jungpolitiker Robin Mesarosch plädierte dafür, die Reihenfolge bei der Verwaltungsdigitalisierung „vom Kopf auf die Füße zu stellen“. Angebracht erscheint ihm, mit der Identifizierung und den digitalen Identitäten zu beginnen, sich dann um die Registermodernisierung und das Once-Only-Prinzip zu kümmern, anschließend sollten der Datenaustausch und erst dann der Online-Zugang für Bürgerinnen und Bürger gemäß OZG folgen. Tags zuvor hatte Bundes-CIO Markus Richter darauf hingewiesen, dass mit dem Online-Ausweis längst ein geeignetes Identifizierungsinstrument vorliege, welches jedoch stärker noch beworben und in Umlauf gebracht werden müsse. „Wie leicht es heute schon ist, mit dem Online-Ausweis umzugehen, wissen viele gar nicht. Die Kommunikation dieser Stärken haben wir primär noch nicht so auf dem Schirm“, so Richter.

Bekenntnis zur deutschen Verwaltungscloud

Für Bernd Schlömer, CIO von Sachsen-Anhalt, ist das OZG „zwar Treiber, aber nur ein Baustein bei der Verwaltungsdigitalisierung“. Die mit der Digitalisierung einhergehenden notwendigen Änderungen in der Organisation der Verwaltung und ihrer Arbeit nannte Schlömer „dramatisch“. Zugleich glaubt er, dass ein „Big Picture“ darüber fehle, „was wir mit der Digitalisierung erreichen wollen“. Als Zielbild nannte er, dass ein OZG-Nachfolgegesetz eine Verpflichtung zur digitalen Umsetzung vorsehen müsse, an die sich Kommunen halten. Darüber hinaus forderte Schlömer auf einem Podium mit weiteren Länder-CIOs unter dem Schlagwort „API first“ ein Verzeichnis über vorhandene standardisierte Schnittstellen sowie „ein Bekenntnis zur deutschen Verwaltungscloud“.

Ende-zu-Ende-Digitalisierung

Für den hessischen IT-Staatssekretär und CIO, Patrick Burghardt, steht nun, nachdem der Online-Zugang mit dem OZG geklärt sei, die Ende-zu-Ende-Digitalisierung an, womit er insbesondere die digitale Anbindung von Fachverfahren meinte. Hierfür müssten die Mittel aus dem Konjunkturpaket über die Jahresfrist weiter zur Verfügung stehen. Sein Kollege aus Thüringen, Finanzstaatssekretär Hartmut Schubert, wies darauf hin, dass sich einige Fachverfahrenshersteller gegen das vereinbarte Einer-für-Alle-Prinzip wehren und beispielweise Schnittstellen für die Integration des Führerscheinantragsprozesses nicht preisgeben wollen.
Was die Priorisierung beim OZG angeht, sprach sich Patrick Burghardt dafür aus, Verwaltungsleistungen, die weniger als 100 Mal pro Jahr nachgefragt werden, ganz beiseitezulegen. Eine weitere Priorisierung bei der Umsetzung von Verwaltungsverfahren läge bei den Kommunen. Bernd Schlömer forderte, dass zumindest Basiskomponenten wie Nutzerkonto, Nutzer-ID und Bezahlverfahren vom Bund entgeltfrei zur Verfügung gestellt werden sollten. Ernst Bürger, Abteilungsleiter im Bundesinnenministerium und Protagonist bei der OZG-Umsetzung, stellte klar, dass eben genau diese Dienste samt dem Portalverbund bereits fertiggestellt seien und insofern von einem Scheitern des OZG keine Rede sein könne. Der IT-Planungsrat schaue sich gerade die Defizite an, hier sei eine Nachjustierung zu erwarten. Eine Gesetzesnovelle, so Bürger, könne möglicherweise eine datenschutzrechtliche Generalklausel für die Registermodernisierung (und auch für EfA-Leistungen) beinhalten sowie einen Rechtsanspruch auf digitale Verwaltungsleistungen nach dem dänischen Modell, also „Digital first“.

Wie geht es weiter?

Einmal mehr erscheint der Stand der Verwaltungsdigitalisierung keineswegs als „Big Picture“, sondern als buntes Puzzle, dessen Bausteine zwar auf dem Tisch liegen, nur sind sich die Akteure noch uneins, wer sie wie zusammenfügen soll. Ob dann alles auch passt, sei einmal dahingestellt. Zu hoffen und zu erwarten ist, dass die November-Sitzung des IT-Planungsrates mehr Klarheit bringt, wie es im kommenden Jahr weitergeht. Genügend folgerichtige Vorstellungen gibt es.

Helmut Merschmann




Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Politik

BMDS: Aufbruch, Umbruch, Durchbruch

[31.10.2025] Das im Mai gegründete und noch im Aufbau befindliche Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung hat in einem Eckpunktepapier sein ehrgeiziges Zielbild für die zukünftige Arbeit entworfen. Dabei will es vieles anders machen als gewohnt. mehr...

Gruppenbild der Teilnehmenden an der Sitzung des Kommunalgremiums.

IT-Planungsrat: Kommunaler Input zu digitalstrategischen Themen

[22.10.2025] Der IT-Planungsrat stellt die strategischen Weichen für die Verwaltungsdigitalisierung – und bindet dabei auch kommunale Perspektiven ein. Beim letzten Treffen des Kommunalgremiums ging es um die zentralen Bereitstellung von EfA-Leistungen und eine Aufgabenneuordnung zur Entlastung von Kommunen. mehr...

Outdoor-Gruppenbild des IT-Planungsrates im Sommer 2025

IT-Planungsrat: Strategische Umsetzungsvorhaben vorgestellt

[21.10.2025] Strategische Digitalisierungsprojekte aus Bund und Ländern werden ab sofort auf der Website des IT-Planungsrats präsentiert. Die 22 Vorhaben sollen zeigen, wie die föderale Digitalstrategie in Bereichen wie KI, Cloud, Schnittstellen und Netzinfrastrukturen in Zukunft konkret umgesetzt wird. mehr...

Diagramme und Datenvisualisierung in leuchtenden Farben.

Bitkom-Dataverse: Datenbank zum digitalen Deutschland

[21.10.2025] Mit dem Bitkom-Dataverse soll das größte kostenlose Onlineportal mit Zahlen und Statistiken zum Digitalen Deutschland entstehen. Es umfasst Daten unter anderem aus den Bereichen Bildung, Künstliche Intelligenz, Cybersicherheit, Verwaltung sowie Mobilität. Auch die Bitkom-Indizes wie der Länderindex oder Smart-City-Index sind enthalten. mehr...

Minister Manfred Pentz.

Hessen: Bürokratieabbau nutzt allen

[15.10.2025] Hessens Entbürokratisierungsminister Manfred Pentz hat im Landtag das Erste Bürokratieabbaugesetz vorgestellt. Das Gesetzespaket mit 120 Maßnahmen wurde vom Kabinett beschlossen, um Verwaltung, Wirtschaft und Bürgerinnen und Bürger spürbar zu entlasten. mehr...

Berliner Rathaus, daneben der Fernsehturm

Berlin: Schritte zur Verwaltungsreform

[14.10.2025] Mit einem ressortübergreifenden Vorgehen startet Berlin die Umsetzung seiner umfassenden Verwaltungsreform. Ziel ist eine einheitlich gesteuerte, moderne Verwaltung: mit klaren Zuständigkeiten, digitaler Infrastruktur und mehr Transparenz über Vorschriften und Prozesse. mehr...

Schleswig-Holstein: Tempo für die Digitalisierung – per Gesetz

[13.10.2025] Mit einem Digitalisierungsbeschleunigungsgesetz will Schleswig-Holstein vollständig digitale Verwaltungsprozesse, ein Datendoppelerhebungsverbot und eine Pflicht zur elektronischen Registerführung einführen. Der Entwurf geht jetzt in die Verbändeanhörung. mehr...

Dr. Karsten Wildberger , Bundesminister für Digitales und Staatsmodernisierung hält seine Keynote auf der SCCOn 2025
bericht

BMDS: „Wir haben Wildwuchs entwickelt.“

[07.10.2025] Bundesdigitalminister Karsten Wildberger stellte auf der Smart Country Convention in Berlin die Modernisierungsagenda der Bundesregierung vor. Als deren dickstes Brett bezeichnete er die Verwaltungsdigitalisierung. mehr...

NKR-Jahresbericht 2025: Klarer Kurs Richtung Bürokratieabbau

[07.10.2025] Der Nationale Normenkontrollrat hat Bundesdigitalminister Karsten Wildberger seinen Jahresbericht 2025 übergeben. Das Gremium sieht Fortschritte beim Bürokratieabbau, warnt aber vor neuen Belastungen. Für echten Wandel fordert es verbindliche Standards und klare politische Steuerung. mehr...

Porträt des NKR-Vorsitzenden Lutz Goebel vor dunklem Hintergrund.

NKR: Die Modernisierungsagenda ist erst der Anfang

[06.10.2025] Der Nationale Normenkontrollrat drängt in einem Statement zur jüngst beschlossenen Modernisierungsagenda des Bundes auf eine politisch klar gesteuerte Umsetzung. Nur so ließen sich Bürokratieabbau, Verwaltungsreformen und föderale Abstimmung wirksam erreichen. mehr...

Bund/Länder: Föderale Modernisierungsagenda soll kommen

[06.10.2025] Bund und Länder wollen bis Dezember eine Föderale Modernisierungsagenda erarbeiten, welche die Modernisierungsagenda des Bundes ergänzt. Auf dem Bund-Länder-Panel der SCCON betonten Vertreterinnen und Vertreter beider Ebenen die Bedeutung gemeinsamer Pilotprojekte und engen Austauschs. mehr...

Screenshot aus dem Dashboard Digitale Verwaltung

Bayern: Digitalstrategie wirkt

[06.10.2025] Bayerns Kommunen liegen in puncto Digitalisierung bundesweit vorne. Das zeigt das Dashboard Digitale Verwaltung, wo der Freistaat die ersten 50 Plätze belegt und auch die Top 100 dominiert. Das Digitalministerium führt dies unter anderem auf die zentral bereitgestellten BayernPackages zurück. mehr...

Blick über an einen langen Tisch, an dem Regierungsmitglieder sitzen.

Bund: Fahrplan für den modernen Staat

[02.10.2025] Die Bundesregierung hat ihre Modernisierungsagenda als einen bindenden Fahrplan mit klaren Fristen und Monitoring beschlossen. Über 80 Maßnahmen in fünf Handlungsfeldern sollen Bürokratie abbauen und Bürger, Unternehmen wie auch die Verwaltung selbst entlasten. mehr...

Ein Tortendiagramm zeigt den Umsetzungsstand digitaler Vorhaben in Bundesministerien, führend ist das Digitalministerium.

Bitkom: Neuer Monitor Digitalpolitik

[30.09.2025] Mit seinem neuen Monitor Digitalpolitik stellt der Bitkom einen Statusbericht zur Digitalpolitik bereit. Das erste Fazit: Das Digitalministerium zeigt Wirkung – aber mehr als die Hälfte der digitalpolitischen Vorhaben dieser Legislatur wartet noch auf den Startschuss. mehr...

Notebook auf gelber Tischplatte, darauf liegen Bündel von Euro-Scheinen in variierter Stückelung.

Bitkom: Digitalisierung vor Ort voranbringen

[30.09.2025] Mit Blick auf die heute beginnende Kabinettsklausur legt der Bitkom eine Modernisierungsagenda für Staat und Verwaltung vor. Sie fordert eine Föderalismusreform und verbindliche IT-Standards, um Bund und Kommunen zu engerer Zusammenarbeit bei der Verwaltungsdigitalisierung zu verpflichten. mehr...