NormenkontrollratKritik zur OZG-Halbzeit

[01.10.2020] In seinem vierten Monitor zum Stand der Verwaltungsdigitalisierung in Deutschland nimmt der Normenkontrollrat den fehlenden Überblick bei OZG-Umsetzungsständen, die Bedeutung von Standards und die „digital ready legislation“ in den Fokus.

Seit Herbst 2018 erscheint in unregelmäßigen Abständen der Monitor Digitale Verwaltung des Nationalen Kontrollrats (NKR) mit dem Ziel, über Fortschritte sowie Fehlentwicklungen bei der Digitalisierung der Verwaltung in Deutschland zu berichten. Nun erschien die umfassende Evaluation zum vierten Mal. Das Resümee zur Halbzeit der OZG-Umsetzung fällt trocken aus: Noch sei nicht viel zu sehen, und es sei unklar, bis wann welche Online-Leistung wie zur Verfügung stehe, so der NKR. Dies habe seine Ursache auch in der mangelnden Übersicht über den OZG-Gesamtstatus. Die existierende zentrale OZG-Informationsplattform liefere keine eindeutige Übersicht und den Akteuren der Umsetzung auf allen Ebenen vom Kanzleramt bis hin zu den Kommunen fehle es an Orientierung. Insbesondere für Letztere gebe es mehrere Austausch- und Informationsplattformen – durch dieses Nebeneinander sei es für Kommunen sehr schwer abzuschätzen, welche Lösungen bald zur Verfügung stehen und wo eigene Entwicklungsarbeit nötig sei. Allerdings werde hier zum Jahresende Abhilfe geschaffen, so das NKR-Papier. Die „eigentliche Baustelle des OZG“ sei die Umsetzung in der Fläche. Derzeit scheine noch nicht einmal gesichert, dass die Leistungen der Prioritäten eins und zwei rechtzeitig flächendeckend online gehen. Ein möglicher Grund: zu hohe Komplexität bei gleichzeitig begrenzten Ressourcen.

Standards reduzieren die Komplexität

„Geld allein macht nicht glücklich“, konstatiert der NKR. Zwar seien die Mittel aus dem Corona-Konjunkturpaket (3 Milliarden Euro) und für die Registermodernisierung (300 Millionen Euro) ein „wichtiges Signal politischen Willens“ und eine Hilfe bei notwendigen Investitionsentscheidungen. Allerdings reiche Geld allein nicht aus, um die Umsetzung zu beschleunigen, denn sowohl auf Verwaltungs- als auch auf Herstellerseite seien die Ressourcen begrenzt. Daher sei es entscheidend, die Komplexität der OZG-Umsetzung zu verringern. Der Koalitionsbeschluss sieht daher vor, die drei Milliarden Euro nur dort einzusetzen, wo Lösungen gemeinschaftlich oder zentral entwickelt werden – das Einer-für-alle-Prinzip (wir berichteten). Obgleich dieser Ansatz zunächst gut klinge, sieht der NKR darin zwei Schwierigkeiten:
Zum einen die Bedingungen, um Lösungen zu entwickeln, die tatsächlich überall einsatzfähig und mit den Fachverfahren sinnvoll kombinierbar sind – und dies auch dauerhaft, bei wandelbaren Bedarfen, bleiben. Der NKR plädiert angesichts dieser hohen Anforderungen dafür, anstelle des Einer-für-alle-Prinzips einen realistischeren Einige-für-viele-Ansatz zu verfolgen.
Zum anderen bestehe bei einem solchen Bündelungsansatz immer die Möglichkeit, dass „eine monopol- oder oligopolartige Anbieterlandschaft entsteht und sich die Verwaltung in langfristige Abhängigkeiten von jeweils nur einem oder wenigen Anbietern begibt“, so der NKR. Um eine Vielfalt der entwickelten Lösungen zu ermöglichen, bedürfe es eines viel stärkeren Maßes an Standardisierung, Modularisierung und der Verwendung offener Schnittstellen – umgesetzt durch ein „staatlich verantwortetes Standardisierungsregime“ bei Software-Entwicklung für die öffentliche Hand.

Digitaltaugliche Gesetzgebung?

Als weiteres Hemmnis für eine durchschlagskräftige Digitalisierung wird der Mangel an digitaltauglichen Gesetzen ausgemacht. Dass die Verwaltungsdigitalisierung nicht die bloße Elektrifizierung bestehender analoger Prozesse bedeutet, ist altbekannt. Allerdings, so der NKR-Monitor, herrsche hinsichtlich der Schaffung der notwendigen organisatorischen und rechtlichen Änderungen zu viel Pragmatismus. Man wolle lieber zügig digitalisieren, statt gesetzliche Anpassungen vorzunehmen – selbst wenn sinnvolle Änderungsbedarfe schon identifiziert seien. Wie sehr eine Gesetzesänderung digitale Services voranbringen kann, hätte das Beispiel des Bayrischen Verkehrsministeriums gezeigt. Um im Rahmen der Corona-Pandemie Kfz einfacher online an-, um- und abmelden zu können, wurde geregelt, dass dazu die Eingabe von Benutzername und Passwort genügt. Zuvor waren Kfz-Online-Verfahren nur mit elektronischem Personalausweis plus Lesegerät oder passendem Smartphone möglich. Im Ergebnis sei die Nutzung der Kfz-Online-Services in Bayern um das Neunzehnfache gestiegen. In größerem Rahmen zeige das Beispiel Dänemark, wie nutzbringend eine „digital ready legislation“ sei. Daher, so der NKR, sollten rechtliche Änderungsvorschläge aus den OZG-Laboren „zügig und breit“ umgesetzt werden. Auch das Registermodernisierungsgesetz stehe weiterhin aus. Vier weitere Jahre seien „verloren“, wenn es nicht gelänge, Änderungen noch in dieser Legislaturperiode umzusetzen. Ein bereits mehrfach vorgeschlagener Digital-TÜV könne dabei helfen.





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