Gaia-XMoonshot der Digitalpolitik?

[09.06.2020] Deutschland und Frankreich legen ein Konzept für die Umsetzung von Gaia-X vor mit dem Ziel, eine vertrauenswürdige und sichere Dateninfrastruktur für Europa aufzubauen.
Europäisches Cloud-Projekt Gaia-X: Für Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier ein „Moonshot der Digitalpolitik“.

Europäisches Cloud-Projekt Gaia-X: Für Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier ein „Moonshot der Digitalpolitik“.

(Bildquelle: Kittipong Jirasukhanont/123rf.com)

Die Corona-Krise treibt die Digitalisierung voran, indem sie vor Augen führt, wie sehr Gesundheitssektor, Bildungswesen, Wirtschaft und Verwaltung von ihr abhängen. Vor allem im öffentlichen Bereich stehen die Zeichen auf Handeln. In der vergangenen Woche haben Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und sein französischer Amtskollege Bruno Le Maire den Stand der Dinge beim Projekt Gaia-X vorgestellt (wir berichteten). Das Projekt zielt darauf ab, die Grundlage für eine europäische Datenökonomie zu schaffen, welche neue datengetriebene Anwendungen und Dienste beispielsweise aus dem Bereich künstliche Intelligenz erlaubt. Zugleich steht Gaia-X für mehr digitale Souveränität.
Die EU-Kommission gibt sich ausgesprochen zukunftsoptimistisch, was die Bedeutung der Datenökonomie für die europäische Wertschöpfung anbelangt. Zwischen 2017 und 2018 stieg das Volumen der Datenökonomie in den 27 EU-Staaten (ohne Großbritannien) um gut 12 Prozent von knapp 267 auf 300 Milliarden Euro. Studien gehen bis zum Jahr 2025 von Steigerungsraten bis Faktor 2,5 aus.
Im Vergleich zu den Weltmächten USA und China nimmt sich allerdings auch diese Kennzahl bescheiden aus, Europa fällt hier weit zurück. Insbesondere im Cloud-Geschäft liegt das Problem: Europäische Unternehmen, vor allem die mittelständischen, zögern, ihre Daten amerikanischen oder chinesischen Clouds anzuvertrauen. Gleichzeitig gibt es bislang wenig europäische Alternativen.

Technisches Konzept für Gaia-X

Hier soll Gaia-X Abhilfe schaffen. Als Peter Altmaier das Projekt im Oktober 2019 vorstellte (wir berichteten), war von bis zu 300 Firmen die Rede, die sich netzwerkartig verbinden und eine dezentrale Cloud-Struktur schaffen sollen. Nun haben sich die ersten 22 Unternehmen, jeweils elf aus Frankreich und Deutschland, zu einer Stiftung zusammengeschlossen und ein erstes technisches Architekturkonzept vorgelegt. Die Firmen bilden die Angebots- und Nachfrageseite von Gaia-X ab und entwickeln Schnittstellen für den Datenaustausch, gemeinsame technische Standards und eine einheitliche Benutzeroberfläche. Beteiligt sind die Deutsche Telekom, SAP, Bosch und Siemens sowie aus Frankreich Atos, Orange und Dassault Système.
Bruno Le Maire erklärte: „Der gemeinsame Wille Frankreichs und Deutschlands erlaubt es uns, die Grundlagen für eine echte europäische Dateninfrastruktur zu legen. Ausgehend von der Zusammenarbeit zwischen elf deutschen und elf französischen Unternehmen kann Europa eine neue Kultur der künstlichen Intelligenz voranbringen, die sich auf die Prinzipien der Offenheit, der Interoperabilität, der Transparenz und des Vertrauens stützt.“
Im Rahmen einer virtuellen Veranstaltung in der vergangenen Woche, an der auch Le Maire und Altmaier teilnahmen, sind mehr als 40 Anwendungsbeispiele aus den Bereichen Industrie 4.0, Gesundheitswesen, Finanzwesen, Öffentlicher Sektor, Smart Living, Energie und Mobilität vorgestellt und ihr Mehrwert für die europäische Datenökonomie diskutiert worden.

Projekt von Konzernen?

Die Meinungen über die Erfolgsaussichten gehen auseinander. Peter Altmaier bezeichnete Gaia-X als „Moonshot der Digitalpolitik“ und „vielleicht wichtigstes digitales Bestreben einer Generation“. Der Chef der beteiligten französischen IT-Firma Atos, Elie Girard, hofft: „Wir haben den Kampf um die Daten der Verbraucher verloren. Die nächste Welle, die vor und nicht hinter uns liegt, sind die Unternehmensdaten.“
Allerdings: Eine aktuelle Studie des Digitalverbands Bitkom hält fest, dass etwa drei Viertel (73 Prozent) der mittelständischen Unternehmen in Deutschland künstliche Intelligenz zwar als wichtigste Zukunftstechnologie betrachten, aber gerade einmal sechs Prozent KI einsetzen und lediglich jedes fünfte Unternehmen (22 Prozent) die KI-Nutzung plant oder darüber diskutiert. Und der Bundesverband IT-Mittelstand kritisiert die bislang mangelnde Einbindung mittelständischer Firmen in das Projekt. Die 22 Gründungsfirmen von Gaia-X sind allesamt Großunternehmen.

Helmut Merschmann




Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Politik
Bundeskabinett auf den Stufen eines Barock anmutenden Gebäudes.

Bürokratieabbau: Bundesregierung beschließt Entlastungsverordnung

[11.10.2024] Die Bundesregierung hat die Bürokratieentlastungsverordnung beschlossen, die zur Entlastung der Wirtschaft um 420 Millionen Euro pro Jahr beitragen soll. Neben dem Abbau von Anzeige- und Mitteilungspflichten sind auch Maßnahmen zur Förderung der Digitalisierung vorgesehen. Die Verordnung muss nun vom Bundesrat genehmigt werden. mehr...

Die Grafik zeigt, was die Bürger von der digitalen Verwaltung erwarten.

eGovernment Monitor 2024: Digitale Nutzungslücke

[08.10.2024] Die Digitalisierung der Verwaltung hat das Potenzial, das Vertrauen der Bevölkerung in den Staat zu stärken. Dennoch bevorzugen viele noch den analogen Weg. Laut der Studie eGovernment Monitor 2024 erwarten die Bürgerinnen und Bürger einfache und zugängliche Onlinedienste – diese werden aber noch zu selten genutzt. mehr...

Gruppenfoto NKR und Marco Buschmann

Nationaler Normenkontrollrat: Jahresbericht 2024

[02.10.2024] Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) hat seinen Jahresbericht zum Bürokratieabbau und zur besseren Rechtsetzung sowie zur Verwaltungsdigitalisierung vorgelegt. Insbesondere für die Wirtschaft sinken die Erfüllungsaufwände, für die Verwaltung steigen sie. Dennoch ist die Gesamtbilanz positiv. mehr...

Schleswig-Holstein: Amtsblatt wird digital

[02.10.2024] Das Amtsblatt für Schleswig-Holstein ist das zentrale Bekanntmachungsorgan für Satzungen, deren Geltungsbereich sich auf das ganze Land erstreckt, sowie für öffentliche und örtliche Bekanntmachungen der Landesverwaltung. Die Papierfassung wurde nun von einem Onlineportal abgelöst. mehr...

Gruppenfoto der Mitglieder des IT-Standardisierungsboars; Außenaufnahme, Sonne

IT-Standardisierungsboard: Erfolgreiche zweite Sitzung

[01.10.2024] Das vom IT-Planungsrat initierte Föderale IT-Standardisierungsboard soll strategische Leitlinien und Prioritäten zur föderalen IT-Standardisierung festlegen und ein verbindliches Prozessmodell entwickeln. Nun traf sich das Gremium in Berlin zu seiner zweiten Sitzung. mehr...

Rheinland-Pfalz: Bürokratieabbau-Paket vorgestellt

[26.09.2024] Die Landesregierung von Rheinland-Pfalz hat ein umfassendes Maßnahmenpaket zum Bürokratieabbau vorgestellt. Ziel ist es, Verwaltungsprozesse zu vereinfachen, digitale Angebote auszubauen und damit Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen zu entlasten. mehr...

OZG-Rahmenarchitektur: Partizipativer Dialog

[23.09.2024] Am Konsultationsprozess zum Zielbild der OZG-Rahmenarchitektur beteiligten sich 154 Stakeholder aus verschiedenen Bereichen mit über 700 Kommentaren. mehr...

Bundesregierung: Reduzierte Finanzierung für KI in der Hochschulbildung

[23.09.2024] Die Förderinitiative „KI in der Hochschulbildung“ soll im kommenden Jahr mit einem geringeren Budget fortgeführt werden. Nachdem in den Jahren 2022 bis 2024 jährlich 33 Millionen Euro zur Verfügung standen, sind im Haushaltsentwurf für 2025 nur noch 17,63 Millionen Euro vorgesehen. mehr...

Avision: Großauftrag von Bundesministerien

[23.09.2024] Der Scanner-Hersteller Avision und das IT-Systemhaus Safetec konnten sich jetzt gemeinsam einen Großauftrag des Bundesinnenministeriums und des Justizministeriums NRW sichern. Die Beschaffung umfasst eine vierstellige Anzahl an Dokumentenscannern, die in den kommenden Jahren an Behörden ausgeliefert werden. mehr...

Porträt von Staatskanzleichef Dirk Schrödter vor weißem Hintergrund.

Schleswig-Holstein: Schrödter kritisiert Kürzungen

[20.09.2024] Scharfe Kritik an den geplanten Kürzungen im Bereich Digitalisierung im Bundeshaushalt kommt aus Schleswig-Holstein. Digitalisierungsminister Dirk Schrödter warnt vor einer Gefährdung der digitalen Souveränität Deutschlands. mehr...

Porträt Bernd Schlömer

Sachsen-Anhalt: Verwaltung wird immer digitaler

[17.09.2024] Sachsen-Anhalts Landes-CIO Bernd Schlömer gibt einen Überblick über den Stand der digitalen Verwaltungstransformation und des Gigabitausbaus. In den Bereichen Breitband- und Mobilfunkausbau, OZG-Umsetzung und Open Data kommt das Land demnach gut voran. mehr...

Mitglieder des IT-Planungsrates, März 2024

Hessen: Umsetzungskompetenz für den IT-Planungsrat

[13.09.2024] Um die Umsetzungskompetenzen und die Wirksamkeit des IT-Planungsrats an verschiedenen Stellen konstruktiv zu stärken, hat der Hessische Landtag das Gesetz zum Zweiten Staatsvertrag zur Änderung des IT-Staatsvertrags verabschiedet. mehr...

Blick auf das Gebäude der HZD

Hessen: HZD bleibt als Einheit bestehen

[09.09.2024] Als zentraler IT-Dienstleister und Full-Service-Provider soll die Hessische Zentrale für Datenverarbeitung (HZD) auch weiterhin als Einheit erhalten bleiben. Darauf einigten sich das Finanz- und das Digitalministerium des Landes. In den kommenden Monaten sollen Details der weiteren Entwicklung erarbeitet werden. mehr...

Sachsen: Digitalagentur zieht Zwischenbilanz

[06.09.2024] Mit der Digitalagentur hat der Freistaat Sachsen vor rund zweieinhalb Jahren eine zentrale Anlaufstelle für Fragen der digitalen Transformation von Wirtschaft, Gesellschaft und Verwaltung geschaffen. Eine nun gezogene Zwischenbilanz fällt positiv aus. mehr...

Porträt Denis Alt

Rheinland-Pfalz: Neuer CIO ernannt

[06.09.2024] Denis Alt ist neuer Beauftragter der rheinland-pfälzischen Landesregierung für Informationstechnik und Digitalisierung. Er tritt damit die Nachfolge des bisherigen CIO/CDO Fedor Ruhose an, der seinerseits im Juli zum Chef der Staatskanzlei ernannt wurde. mehr...