OnlinezugangsgesetzBeschönigt das BMI den Fortschritt?

[06.04.2022] Das Bundesinnenministerium gibt in seinen Berichten zur Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes ein positiv verzerrtes Bild ab. Der tatsächliche Programmfortschritt sei weit von den gesteckten Zielen entfernt. Diesen Vorwurf hat jetzt der Bundesrechnungshof erhoben.
Den Fortschritt bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes stellt das BMI laut Bundesrechnungshof zu positiv dar.

Den Fortschritt bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes stellt das BMI laut Bundesrechnungshof zu positiv dar.

(Bildquelle: cherriesjd/123rf.com)

In Ergänzung zu seinen im November vergangenen Jahres veröffentlichten „Bemerkungen 2021 zur Haushalts- und Wirtschaftslage des Bundes“ (wir berichteten) hat der Bundesrechnungshof jetzt einen Band mit insgesamt 17 aktuellen Beiträgen veröffentlicht. Der Bundesrechungshof listet darin Fälle auf, in denen der Bund seine Haushaltsmittel nicht zielgerichtet, effizient und wirksam eingesetzt hat. Ein Thema: das Onlinezugangsgesetz (OZG). Bund, Länder und Kommunen haben sich darauf verständigt, bis Ende dieses Jahres 575 OZG-Leistungen priorisiert umzusetzen, 115 dieser Services entfallen auf das Digitalisierungsprogramm Bund.
Der Bundesrechnungshof wirft dem Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) nun vor, in seinen Berichten an die Gremien der IT-Steuerung des Bundes und auf seinem Internet-Auftritt den Stand der Umsetzung beschönigt zu haben, um auf einen effizienten Programmfortschritt schließen zu lassen.

Positiv verzerrtes Bild

Der Bundesrechnungshof hat nach eigenen Angaben ab dem Jahr 2020 die Umsetzung des OZG im Digitalisierungsprogramm Bund geprüft. Dieses umfasst 1.532 Verwaltungsleistungen, die in 115 priorisierten OZG-Leistungen gebündelt sind. Das Berichtswesen des BMI zum Programmfortschritt sei dabei in zweierlei Hinsicht durch Unschärfen gekennzeichnet. Zum einen unterschied das BMI laut Bundesrechnungshof nicht zwischen OZG-Leistungen mit Reifegrad 2 und 3. Reifegrad 2 ist erfüllt, wenn Verwaltungsleistungen beispielsweise über ein elektronisches Formular beantragt werden können, Reifegrad 3 setzt voraus, dass das Antragsverfahren vollständig digital abgewickelt werden kann.
Das BMI habe jedoch auch solche OZG-Leistungen als „online verfügbar“ bezeichnet, die erst den Reifegrad 2 erreicht hatten und damit noch nicht OZG-konform umgesetzt waren. Des Weiteren bestimmte diejenige Verwaltungsleistung mit dem höchsten Reifegrad den Reifegrad der gesamten OZG-Leistung. So schrieb das BMI einer OZG-Leistung den Reifegrad 3 und somit OZG-Konformität zu, sobald nur eine der darin gebündelten Verwaltungsleistungen diesen Reifegrad erreicht hatte.
Wie es vonseiten des Bundesrechnungshofes heißt, vermittelt das BMI in seinen Berichten demnach ein positiv verzerrtes Bild des Digitalisierungsfortschritts. So seien nach Darstellung des BMI bereits knapp 74 Prozent der OZG-Leistungen mindestens online verfügbar. Tatsächlich seien aber lediglich 20,4 Prozent der Verwaltungsleistungen im Digitalisierungsprogramm Bund mindestens online verfügbar, wobei nur 3,8 Prozent tatsächlich OZG-konform umgesetzt sind.
In seinen Empfehlungen an das BMI zur realistischeren Darstellung des Fortschritts bei der OZG-Umsetzung hat der Bundesrechnungshof auch das OZG-Dashboard zum Digitalisierungsprogramm Föderal (wir berichteten) als ungeeignet bewertet. Denn dort gilt eine OZG-Leistung bereits dann als „online verfügbar“, wenn eine gebündelte Verwaltungsleistung in nur einer Kommune „online verfügbar“ war – der Service also noch gar nicht flächendeckend für die Bürgerinnen und Bürger sowie die Unternehmen nutzbar ist.

Stellungnahme des BMI

Das BMI hat die Vorwürfe des Bundesrechnungshofs in einer schriftlichen Stellungnahme zurückgewiesen. Das OZG-Dashboard bilde den Programmfortschritt „nutzerfreundlich“ ab, was zwangsläufig zu einer Reduktion auf das Wesentliche führe. Auch entspreche die Darstellung des Bundesrechnungshofs, wonach erst knapp vier Prozent der priorisierten Verwaltungsleistungen OZG-konform umgesetzt seien, nicht dem tatsächlichen Fortschritt. Die einzelnen Projekte enthielten zum Teil eine Vielzahl an zu digitalisierenden Verwaltungsleistungen. Erst mit Abschluss des gesamten Projekts werde der Reifegrad der betroffenen Verwaltungsleistungen in den Berichten aktualisiert. Der Programmfortschritt könne somit nur sprunghaft dargestellt werden.

Enorme Restaufwände zu leisten

Mit seiner Berichterstattung verfolge das BMI offensichtlich das Ziel, die 115 priorisierten OZG-Leistungen des Bundes bis Ende 2022 als online verfügbar melden zu können, spekulieren die Prüfer des Bundesrechnungshofes abschließend zu den Beweggründen des Ministeriums. Für Entscheidungsträger sei aus den Berichten des BMI nicht zu erkennen, welche enormen Restaufwände bis Ende dieses Jahres noch zu leisten seien. Ihnen fehle eine valide Grundlage, um die Umsetzung des OZG zielgerichtet zu steuern und angemessen mit personellen Ressourcen auszustatten.
Die Abweichungen zwischen dem realen und dem vom BMI berichteten Programmfortschritt sieht der Bundesrechnungshof daher weiterhin kritisch. Das Argument des BMI, dass der Programmfortschritt auf Ebene der Verwaltungsleistungen nur verzerrt dargestellt werden könnte, sei nicht überzeugend.Der Bundesrechnungshof hält daher ein differenziertes Berichtswesen für notwendig.





Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Politik

BMDS: Aufbruch, Umbruch, Durchbruch

[31.10.2025] Das im Mai gegründete und noch im Aufbau befindliche Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung hat in einem Eckpunktepapier sein ehrgeiziges Zielbild für die zukünftige Arbeit entworfen. Dabei will es vieles anders machen als gewohnt. mehr...

Gruppenbild der Teilnehmenden an der Sitzung des Kommunalgremiums.

IT-Planungsrat: Kommunaler Input zu digitalstrategischen Themen

[22.10.2025] Der IT-Planungsrat stellt die strategischen Weichen für die Verwaltungsdigitalisierung – und bindet dabei auch kommunale Perspektiven ein. Beim letzten Treffen des Kommunalgremiums ging es um die zentralen Bereitstellung von EfA-Leistungen und eine Aufgabenneuordnung zur Entlastung von Kommunen. mehr...

Outdoor-Gruppenbild des IT-Planungsrates im Sommer 2025

IT-Planungsrat: Strategische Umsetzungsvorhaben vorgestellt

[21.10.2025] Strategische Digitalisierungsprojekte aus Bund und Ländern werden ab sofort auf der Website des IT-Planungsrats präsentiert. Die 22 Vorhaben sollen zeigen, wie die föderale Digitalstrategie in Bereichen wie KI, Cloud, Schnittstellen und Netzinfrastrukturen in Zukunft konkret umgesetzt wird. mehr...

Diagramme und Datenvisualisierung in leuchtenden Farben.

Bitkom-Dataverse: Datenbank zum digitalen Deutschland

[21.10.2025] Mit dem Bitkom-Dataverse soll das größte kostenlose Onlineportal mit Zahlen und Statistiken zum Digitalen Deutschland entstehen. Es umfasst Daten unter anderem aus den Bereichen Bildung, Künstliche Intelligenz, Cybersicherheit, Verwaltung sowie Mobilität. Auch die Bitkom-Indizes wie der Länderindex oder Smart-City-Index sind enthalten. mehr...

Minister Manfred Pentz.

Hessen: Bürokratieabbau nutzt allen

[15.10.2025] Hessens Entbürokratisierungsminister Manfred Pentz hat im Landtag das Erste Bürokratieabbaugesetz vorgestellt. Das Gesetzespaket mit 120 Maßnahmen wurde vom Kabinett beschlossen, um Verwaltung, Wirtschaft und Bürgerinnen und Bürger spürbar zu entlasten. mehr...

Berliner Rathaus, daneben der Fernsehturm

Berlin: Schritte zur Verwaltungsreform

[14.10.2025] Mit einem ressortübergreifenden Vorgehen startet Berlin die Umsetzung seiner umfassenden Verwaltungsreform. Ziel ist eine einheitlich gesteuerte, moderne Verwaltung: mit klaren Zuständigkeiten, digitaler Infrastruktur und mehr Transparenz über Vorschriften und Prozesse. mehr...

Schleswig-Holstein: Tempo für die Digitalisierung – per Gesetz

[13.10.2025] Mit einem Digitalisierungsbeschleunigungsgesetz will Schleswig-Holstein vollständig digitale Verwaltungsprozesse, ein Datendoppelerhebungsverbot und eine Pflicht zur elektronischen Registerführung einführen. Der Entwurf geht jetzt in die Verbändeanhörung. mehr...

Dr. Karsten Wildberger , Bundesminister für Digitales und Staatsmodernisierung hält seine Keynote auf der SCCOn 2025
bericht

BMDS: „Wir haben Wildwuchs entwickelt.“

[07.10.2025] Bundesdigitalminister Karsten Wildberger stellte auf der Smart Country Convention in Berlin die Modernisierungsagenda der Bundesregierung vor. Als deren dickstes Brett bezeichnete er die Verwaltungsdigitalisierung. mehr...

NKR-Jahresbericht 2025: Klarer Kurs Richtung Bürokratieabbau

[07.10.2025] Der Nationale Normenkontrollrat hat Bundesdigitalminister Karsten Wildberger seinen Jahresbericht 2025 übergeben. Das Gremium sieht Fortschritte beim Bürokratieabbau, warnt aber vor neuen Belastungen. Für echten Wandel fordert es verbindliche Standards und klare politische Steuerung. mehr...

Porträt des NKR-Vorsitzenden Lutz Goebel vor dunklem Hintergrund.

NKR: Die Modernisierungsagenda ist erst der Anfang

[06.10.2025] Der Nationale Normenkontrollrat drängt in einem Statement zur jüngst beschlossenen Modernisierungsagenda des Bundes auf eine politisch klar gesteuerte Umsetzung. Nur so ließen sich Bürokratieabbau, Verwaltungsreformen und föderale Abstimmung wirksam erreichen. mehr...

Bund/Länder: Föderale Modernisierungsagenda soll kommen

[06.10.2025] Bund und Länder wollen bis Dezember eine Föderale Modernisierungsagenda erarbeiten, welche die Modernisierungsagenda des Bundes ergänzt. Auf dem Bund-Länder-Panel der SCCON betonten Vertreterinnen und Vertreter beider Ebenen die Bedeutung gemeinsamer Pilotprojekte und engen Austauschs. mehr...

Screenshot aus dem Dashboard Digitale Verwaltung

Bayern: Digitalstrategie wirkt

[06.10.2025] Bayerns Kommunen liegen in puncto Digitalisierung bundesweit vorne. Das zeigt das Dashboard Digitale Verwaltung, wo der Freistaat die ersten 50 Plätze belegt und auch die Top 100 dominiert. Das Digitalministerium führt dies unter anderem auf die zentral bereitgestellten BayernPackages zurück. mehr...

Blick über an einen langen Tisch, an dem Regierungsmitglieder sitzen.

Bund: Fahrplan für den modernen Staat

[02.10.2025] Die Bundesregierung hat ihre Modernisierungsagenda als einen bindenden Fahrplan mit klaren Fristen und Monitoring beschlossen. Über 80 Maßnahmen in fünf Handlungsfeldern sollen Bürokratie abbauen und Bürger, Unternehmen wie auch die Verwaltung selbst entlasten. mehr...

Ein Tortendiagramm zeigt den Umsetzungsstand digitaler Vorhaben in Bundesministerien, führend ist das Digitalministerium.

Bitkom: Neuer Monitor Digitalpolitik

[30.09.2025] Mit seinem neuen Monitor Digitalpolitik stellt der Bitkom einen Statusbericht zur Digitalpolitik bereit. Das erste Fazit: Das Digitalministerium zeigt Wirkung – aber mehr als die Hälfte der digitalpolitischen Vorhaben dieser Legislatur wartet noch auf den Startschuss. mehr...

Notebook auf gelber Tischplatte, darauf liegen Bündel von Euro-Scheinen in variierter Stückelung.

Bitkom: Digitalisierung vor Ort voranbringen

[30.09.2025] Mit Blick auf die heute beginnende Kabinettsklausur legt der Bitkom eine Modernisierungsagenda für Staat und Verwaltung vor. Sie fordert eine Föderalismusreform und verbindliche IT-Standards, um Bund und Kommunen zu engerer Zusammenarbeit bei der Verwaltungsdigitalisierung zu verpflichten. mehr...