Bitkom/OSBABilanz nach 100 Tagen Ampelkoalition

[21.03.2022] Zur Regierungspolitik und insbesondere der Digitalpolitik der Ampelkoalition nach den ersten 100 Tagen im Amt haben sich der Bitkom und die Open Source Business Alliance (OSBA) geäußert: Trotz guter Ansätze fehle eine umfassende Strategie und es sei zu wenig konkret umgesetzt worden.
100 Tage Ampelkoalition: Digitalstrategie noch nicht erkennbar.

100 Tage Ampelkoalition: Digitalstrategie noch nicht erkennbar.

(Bildquelle: alexlmx/123rf.com)

Nach den ersten 100 Tagen der Ampelregierung von SPD, Grünen und FDP ziehen der Bitkom und die Open Source Business Alliance (OSBA) ein erstes Fazit zur Digitalpolitik der neuen Regierung und zu ihrem Einsatz für mehr digitale Souveränität. Bitkom-Präsident Achim Berg beklagte das derzeitige Fehlen einer Digitalstrategie, die gerade erst erarbeitet werde. Zwar seien viele Ressorts inzwischen mit Einzelaktivitäten vorgeprescht – von der angekündigten Einführung eines Rechts auf Reparatur bis zu milliardenschweren Fördermaßnahmen, die auch bereits im Haushaltsentwurf verankert sind. Damit Deutschlands Digitalpolitik aber nicht weiterhin ein Flickenteppich von Einzelmaßnahmen bleibe, sondern zielgerichtet und aus einem Guss entworfen werde, müsse nun dringend eine übergeordnete Digitalstrategie vorgelegt werden. Dabei dränge die Zeit: Digitale Vorreiter wie die USA oder Dänemark seien Deutschland in zentralen Feldern der Digitalpolitik bis zu 20 Jahre voraus, so Berg. Als Beispiele nannte er die Digitalisierung der Schulen und des Gesundheitswesens, die digitale Verwaltung und elektronische Identitäten. In Europa sei Deutschland nur digitales Mittelmaß.
Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine betonte Berg, dass Fragen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Kern auch digitale Fragen seien. Die Sicherung digitaler Leistungsfähigkeit müsse selbstverständlicher Bestandteil politischen Krisen-Managements im 21. Jahrhundert sein. Es gelte, Kommunikationsnetze und Kritischen Infrastrukturen gegen Cyber-Angriffe zu wappnen, Kompetenzen und Kapazitäten in Technologien wie Halbleitern und Netzausrüstung schnell auszubauen und den Staat bei der Durchsetzung geltenden Rechts auch im digitalen Raum zu stärken. Die Bundeswehr müsse für die digitale Verteidigung gerüstet werden. Ebenso gelte es, die Potenziale einer beschleunigten Digitalisierung für die Dekarbonisierung aus klima- und geopolitischer Perspektive noch sehr viel besser auszuschöpfen. Jetzt müssten alle Ressorts in digitalpolitischen Belangen an einem Strang ziehen und schnell Ergebnisse liefern.

Wie steht es um die digitale Souveränität?

Die Open Source Business Alliance sieht bei der neuen Regierung zwar positive Ankündigungen hinsichtlich Open Source und mehr digitaler Souveränität, vermisst jedoch konkrete Umsetzungen. So habe die Bundesregierung im Koalitionsvertrag unter anderem eine Cloud der öffentlichen Verwaltung auf Basis einer Multi-Cloud-Strategie und von offenen Standards in Aussicht gestellt. Nach 100 Tagen sei allerdings weiterhin unklar, wie durch die Multi-Cloud-Strategie Interoperabilität zwischen Anwendungen und die Austauschbarkeit von Anbietern erreicht werden solle. Im Gegenteil, es bestehe erhebliche Gefahr, die Abhängigkeit von proprietären Services weiter zu zementieren, weil offene Schnittstellen (APIs) zum Zugriff auf Cloud-Services aus der Verwaltung oder aus Fachverfahren heraus fehlten. Aus diesem Grund hänge jetzt viel von der Geschwindigkeit bei der Initiierung und Beauftragung von Alternativen sowie der Umsetzung von offenen Schnittstellen ab. Gerade weil im Koalitionsvertrag die Bedeutung von offenen Standards, offenen Schnittstellen sowie von Open Source für die digitale Souveränität ausdrücklich betont wurde, sei es enttäuschend, dass bisher keine konkreten Pläne zum geplanten Open Source Hyperscaler vorliegen. Lediglich die Unternehmen SAP, Microsoft und Arvato haben erklärt, ein Konsortium für die Bundescloud bilden zu wollen (wir berichteten). Dieses Signal deute aber eher auf eine Fortführung und Vertiefung bestehender Abhängigkeiten hin, statt auf einen entschlossenen Aufbruch in Richtung digitaler Souveränität, so die OSBA. Auch bei dem bereits von der Vorgängerregierung geplanten Zentrum für Digitale Souveränität der Öffentlichen Verwaltung (ZenDis) seien noch verbindliche Planungen notwendig, die auch im Haushalt abgebildet sein müssten. Die Weichenstellungen dazu seien bisher noch nicht erfolgt.
Positiv sieht die OSBA die Fortschritte bei der Umsetzung der Open-Source-Plattform der öffentlichen Verwaltung, dem Open Source Code Repository (wir berichteten), und auch die Ankündigung für die Schaffung eines Sovereign Tech Fund sei ein positives Signal. Dabei bleibe aber noch abzuwarten, wie viele Gelder wann und wofür genau verwendet werden sollen. Um eine umfangreiche strategische Neuausrichtung der IT-Ausgaben der Verwaltung mit dem Fokus auf digitaler Souveränität und demzufolge auf Open Source Software zu erzielen, müsse der Staat vor allem seine Einkaufsstärke nutzen. Es sei daher von zentraler Bedeutung, dass die angesprochenen Projekte und weitere Initiativen der Bundesregierung jetzt ambitioniert umgesetzt und die Vergabepolitik darauf ausgerichtet werde. Wenn die Ampelkoalition es mit der digitalen Souveränität und der Stärkung von Open Source Software ernst meine, müsse sie dafür sorgen, dass sie auch gezielt vor allem solche Systeme entwickle und beschaffe, die kontrollierbar, gestaltbar und austauschbar sind.





Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Politik

Thüringen: Neue Digitalstrategie beschlossen

[19.12.2025] Das Thüringer Kabinett hat eine neue Digitalstrategie beschlossen, welche die Verwaltungsdigitalisierung bündeln und beschleunigen soll. Kernpunkte sind eine zentrale Steuerung, einheitliche IT-Standards und ab 2026 eine App, über die Behördenleistungen per Smartphone zugänglich werden sollen. mehr...

IT-Planungsrat: 2025 war ein Jahr der Meilensteine

[19.12.2025] Mecklenburg-Vorpommern hatte in diesem Jahr den Vorsitz im IT-Planungsrat inne und nun eine positive Bilanz gezogen. 2025 sei ein Meilenstein-Jahr auf dem Weg zur digitalen Entlastung von Bürgerinnen und Bürgern sowie der Unternehmen gewesen. mehr...

Die rheinland-pfälzische Digitalministerin Dörte Schall.

Rheinland-Pfalz: Digitalprogramm 2026/2027 beschlossen

[18.12.2025] Das Landeskabinett Rheinland-Pfalz hat die Fortschreibung der Digitalstrategie von 2023 beschlossen. Deren Inhalte wurde in einem breit angelegten Beteiligungsprozess erarbeitet. mehr...

NKR: Modernisierungsagenda bleibt zu vorsichtig

[10.12.2025] Die föderale Modernisierungsagenda ist beschlossen. Der NKR sieht darin wichtige Impulse für leistungsfähigere Verwaltungen, kritisiert jedoch vertagte Reformhebel und fordert eine konsequente Umsetzung mit starker Einbindung der Kommunen. mehr...

Ministerpräsidentenkonferenz: Eine schnellere, digitalere Verwaltung

[08.12.2025] Auf der Konferenz der 16 Ministerpräsidentinnen und -präsidenten wurde ein 200-Maßnahmen-Paket für eine föderale Modernisierungsagenda beschlossen. Viele der Maßnahmen betreffen auch die Verwaltung und deren digitale Transformation. mehr...

Bundesdigitalminister Karsten Wildberger, im Schatten unter Bäumen, im Hintergrund ein Kanal.

BMDS: Wildwuchs der Bundes-IT zügeln

[05.12.2025] Das Bundesministerium für Digitales hat mit dem Zustimmungsvorbehalt ein wirkungsvolles Instrument erhalten, um Digitalprojekte und IT-Ausgaben über Ressortgrenzen hinweg zu steuern. So soll zentral für Kompatibilität, Effizienz und Einhaltung der strategischen Richtung gesorgt werden. mehr...

Porträt von Lydia Hüskens, mit verschränkten Armen im dunklen Blazer vor einer braunen Wand stehend

Sachsen-Anhalt: Zentrale Serviceagentur für Kommunen

[05.12.2025] Eine Machbarkeitsstudie aus Sachsen-Anhalt zeigt, dass eine zentrale Serviceagentur für Kommunen Verwaltungsabläufe beschleunigen und verbessern kann. Digitalministerin Lydia Hüskens kündigte an, dass ab 2026 sukzessive eine Unterstützungseinheit für Kommunen umgesetzt werden soll. mehr...

Blick in eine Berliner Straßenflucht, im Hintergrund der Fernsehturm.

Berlin: Digitalisierungsschub für die Wirtschaftsverwaltung

[04.12.2025] Ein Jahr nach Vorstellung des Aktionskonzepts zur Verwaltungsdigitalisierung für die Berliner Wirtschaft zieht Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey eine positive Bilanz. Vieles laufe schneller als geplant, der Digitale Wirtschaftsservice DIWI wächst und erste Medienbrüche in Gewerbeverfahren werden abgebaut. mehr...

Hendrik Wüst in Segnungspose am Rednerpult.

Staatsmodernisierung: Konferenz vor der Konferenz

[03.12.2025] Mit einer „Konferenz für einen zukunftsfähigen Staat“ in Berlin wollte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst die Weichen für die bevorstehende Ministerpräsidentenkonferenz stellen, deren zentrale Themen Bürokratieabbau und Staatsmodernisierung sein werden. mehr...

Porträt Oliver Süme

eco: Zu kleiner Etat für den digitalen Aufbruch

[02.12.2025] Im November einigte sich der Haushaltsausschuss auf den BMDS-Etat für 2026. Viel Spielraum hat das Digitalministerium dennoch nicht, moniert der Internetwirtschaftsverband eco. Die Gelder fließen größtenteils in längst geplante Vorhaben, Mittel für echte Innovationen wie etwa KI liegen bei anderen Häusern. mehr...

Gruppenfoto (Innenaufnahme): Mitglieder des It-Planungsrats im November 2025

IT-Planungsrat: Wichtige Digitalvorhaben beschlossen

[27.11.2025] Der IT-Planungsrat hat bei seiner letzten Sitzung des Jahres zentrale Beschlüsse zur Verwaltungsdigitalisierung gefasst. Er konkretisiert die EUDI-Wallet-Anbindung, übernimmt den KI-Marktplatz MaKI, stärkt Open-Source-Beschaffung und verstetigt die EfA-Lenkungsgruppe. mehr...

Bis zum Jahr 2030 soll es in Deutschland Glasfaser flächendeckend bis ins Haus geben.

Föderale Modernisierungsagenda: Jetzt muss gehandelt werden

[25.11.2025] Der Nationale Normenkontrollrat mahnt die in der Föderalen Modernisierungsagenda vorgesehene bessere Aufgabenbündelung mit Nachdruck an. Die Ministerien müssten dieses Projekt konsequent weiterverfolgen, um Effizienz und Entlastung der Kommunen zu sichern. mehr...

Blick über vollbesetzten Konferenztisch mit Landeswimpeln, großer Unschärfebereich im Vordergrund, Fokus iegt auf Schleswig-Holsteins Digitalminister Dirk Schrödter

Digitalministerkonferenz: Verwaltung im Fokus

[25.11.2025] Auf der vierten Digitalministerkonferenz fassten die Digitalministerinnen und -minister der Länder zentrale Beschlüsse zur Staats- und Verwaltungsmodernisierung. Sie wollen den Deutschland-Stack vorantreiben, wollen „Digital Only“ verbindlich verankern und fordern Tempo bei der Registermodernisierung. mehr...

Registermodernisierung: NOOTS-Staatsvertrag verabschiedet

[24.11.2025] Das Gesetz zum Staatsvertrag über das Nationale Once-Only-Technical-System hat den Bundesrat passiert. Nach Angaben der Bundesregierung kommt damit die Registermodernisierung von Bund, Ländern und Kommunen voran. mehr...

Blick von oben in einen abgedunkelten, großen, hohen Konferenzraum mit viel Publikum. Au der blau beleuchteten Bühne sieht man Karsten Wildberger.

EU-Summit: Das war der Gipfel zur europäischen Digitalen Souveränität

[20.11.2025] Der Gipfel für Europäische Digitale Souveränität brachte rund 1.000 Spitzenvertreterinnen und -vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in Berlin zusammen. Das BMDS sieht darin den Startschuss für ein wettbewerbsfähigeres und souveräneres Europa. mehr...