InterviewEs mangelt an Verbindlichkeit

[19.10.2020] Deutliche Kritik an der Digitalisierung in Brandenburg hat der Brandenburger Landesrechnungshof in seinem Beratungsbericht geübt. Wo die Probleme liegen und wie sie behoben werden können, erläutert Thomas Kersting, Direktor beim Landesrechnungshof Brandenburg, im Interview mit move moderne verwaltung.

Herr Kersting, der Brandenburger Landesrechnungshof hat in seinem Beratungsbericht zur Steuerung, Koordinierung und organisatorischen Umsetzung der Digitalisierung in Brandenburg deutliche Kritik geübt (wir berichteten). Woran mangelt es Ihrer Meinung nach am meisten?

Die Digitalisierungsstrategie des Landes besteht zum einen lediglich aus politischen Absichtserklärungen ohne jegliche Verbindlichkeit. Es fehlen konkrete Ziele, zeitliche Vorgaben und Kennziffern, um das Erreichen der Ziele zu bewerten. Diese sind aber Voraussetzung für die notwendige strategische Koordinierung der Digitalisierungsbemühungen der Landesregierung. Zum anderen können die Herausforderungen der Digitalisierung nur über gemeinsame und abgestimmte Anstrengungen der verschiedenen Akteure erfolgreich bewältigt werden. Dies gilt auch intern bei der Digitalisierung der Verwaltung. So ist die seit Jahren angekündigte E-Government-Strategie des Landes noch immer nicht verabschiedet. Der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) wird nicht von allen Ressorts die erforderliche Aufmerksamkeit geschenkt. Das hat uns auch das hierfür zuständige Innenministerium bestätigt: einige Fachministerien hätten Energien in die Abwehr des OZG respektive des Brandenburgischen E-Government-Gesetzes gesteckt, anstatt diese Zeit sinnstiftend, zielführend und verantwortungsvoll in Projekt- und Umsetzungsplanungen zu investieren. Jeder macht seins – das geht so nicht!

Wie sehen Sie die Rolle der Staatskanzlei bei der Umsetzung der Digitalisierungsstrategie des Landes?

Digitalisierung ist ein wichtiges Thema, das alle Ressorts der Landesregierung betrifft. Daher war die vom Landtag geforderte Einrichtung einer strategischen Schnittstelle der richtige Schritt. Und richtig war auch, diese Aufgabe in der Staatskanzlei anzusiedeln. Sie könnte angesichts der Richtlinienkompetenz des Ministerpräsidenten ressortübergreifend Vorgaben machen. Doch erteilt die Staatskanzlei den Ressorts weder inhaltliche Direktiven, noch nimmt sie eine Koordinierung der digitalen Aktivitäten der Ressorts vor. Sie versteckt sich hinter der Ressorthoheit und sieht sich in keiner steuernden Rolle. In der Folge fehlt ihr ein hinreichender Überblick über die Digitalisierungsaktivitäten der Fachressorts. Die zuständige Organisationseinheit in der Staatskanzlei ist zudem personell gar nicht darauf ausgerichtet, Aufgaben zur Steuerung und Koordinierung vollumfänglich wahrzunehmen.

Es fehlen konkrete Ziele, zeitliche Vorgaben und Kennziffern, um das Erreichen der Ziele zu bewerten.
Bemängelt wird seitens des Landesrechnungshofes also unter anderem das Fehlen einer koordinierten Herangehensweise verschiedener Akteure und eine mangelnde Zielorientierung der Digitalisierungsstrategie der Landesregierung. Was muss geschehen, um diese Fehler zu beheben?

Wir empfehlen der Landesregierung, klare und eindeutige Vorgaben und Leitlinien zur Digitalisierung des Landes zu entwickeln. Deren Einhaltung muss kontinuierlich überwacht werden. Die mit Digitalisierung befassten Bereiche und die interministerielle Zusammenarbeit müssen gestärkt werden. Darin sind wir uns im Übrigen einig mit dem von der Landesregierung berufenen Expertengremium, dem Digitalbeirat. Dessen Forderung nach Überarbeitung und Weiterentwicklung der Digitalisierungsstrategie des Landes und der Erarbeitung von Fachstrategien in den Ressorts halten wir ebenfalls für notwendig und sinnvoll. Um dem Anspruch auf Koordinierung und Verknüpfung der digitalen Akteure gerecht werden zu können, ist eine ausreichende personelle Untersetzung in der Staatskanzlei erforderlich. Und es erfordert ein Umdenken bezüglich des Selbstverständnisses der Staatskanzlei.

Wie bewerten Sie den Einfluss der DigitalAgentur Brandenburg?

Der Kabinettvorlage zufolge sollte die DigitalAgentur das Land und die Kommunen bei der Durchführung von Digitalisierungsprojekten mit besonderem Landes- oder Kommunalinteresse operativ unterstützen. Grundsätzlich ist diese Hilfestellung und die damit verbundene Zusammenarbeit und Bündelung von Ressourcen auf unterschiedlichen Ebenen zu begrüßen. Wie die Projektunterstützung und die Aufgaben der DigitalAgentur konkret aussehen, wird sich erst zeigen, nachdem der Personalaufbau abgeschlossen ist. Zum Zeitpunkt der Gründung der DigitalAgentur existierten hierfür nur wenig aussagekräftige Grobkonzepte. Wir haben dem Parlament daher empfohlen, sich in den zuständigen Fachausschüssen regelmäßig über die durchgeführten Projekte und Aufgaben berichten zu lassen. Dies wird es ermöglichen, den Einfluss und die Wirksamkeit der DigitalAgentur laufend zu bewerten und bei Bedarf korrigierend einzugreifen.

Was muss jetzt getan werden, um die Digitalisierung in Brandenburg auf einen guten Weg zu bringen?

In unserem Beratungsbericht empfehlen wir dem Landtag, den Digitalisierungsprozess zu forcieren, zu begleiten und zu kontrollieren. Die Landesregierung sollte durch Beschlüsse und Vorgaben zur Schwerpunktsetzung angehalten werden. Über den Stand der Umsetzung sollte sich der Landtag regelmäßig unterrichten lassen. Hierfür empfiehlt sich die Befassung an zentraler Stelle, zum Beispiel im Hauptausschuss oder auch in einem Sonderausschuss Digitalisierung. Zudem sollte der Landtag für eine auskömmliche personelle Untersetzung der für Digitalisierung zuständigen Aufgabenbereiche im Haushalt 2021 sorgen. Wenn nicht weiter Boden verloren gehen soll, bedarf die Digitalisierung stärkerer gemeinsamer Anstrengungen von Legislative und Exekutive.

Interview: Corinna Heinicke




Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Politik

BMDS: Aufbruch, Umbruch, Durchbruch

[31.10.2025] Das im Mai gegründete und noch im Aufbau befindliche Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung hat in einem Eckpunktepapier sein ehrgeiziges Zielbild für die zukünftige Arbeit entworfen. Dabei will es vieles anders machen als gewohnt. mehr...

Gruppenbild der Teilnehmenden an der Sitzung des Kommunalgremiums.

IT-Planungsrat: Kommunaler Input zu digitalstrategischen Themen

[22.10.2025] Der IT-Planungsrat stellt die strategischen Weichen für die Verwaltungsdigitalisierung – und bindet dabei auch kommunale Perspektiven ein. Beim letzten Treffen des Kommunalgremiums ging es um die zentralen Bereitstellung von EfA-Leistungen und eine Aufgabenneuordnung zur Entlastung von Kommunen. mehr...

Outdoor-Gruppenbild des IT-Planungsrates im Sommer 2025

IT-Planungsrat: Strategische Umsetzungsvorhaben vorgestellt

[21.10.2025] Strategische Digitalisierungsprojekte aus Bund und Ländern werden ab sofort auf der Website des IT-Planungsrats präsentiert. Die 22 Vorhaben sollen zeigen, wie die föderale Digitalstrategie in Bereichen wie KI, Cloud, Schnittstellen und Netzinfrastrukturen in Zukunft konkret umgesetzt wird. mehr...

Diagramme und Datenvisualisierung in leuchtenden Farben.

Bitkom-Dataverse: Datenbank zum digitalen Deutschland

[21.10.2025] Mit dem Bitkom-Dataverse soll das größte kostenlose Onlineportal mit Zahlen und Statistiken zum Digitalen Deutschland entstehen. Es umfasst Daten unter anderem aus den Bereichen Bildung, Künstliche Intelligenz, Cybersicherheit, Verwaltung sowie Mobilität. Auch die Bitkom-Indizes wie der Länderindex oder Smart-City-Index sind enthalten. mehr...

Minister Manfred Pentz.

Hessen: Bürokratieabbau nutzt allen

[15.10.2025] Hessens Entbürokratisierungsminister Manfred Pentz hat im Landtag das Erste Bürokratieabbaugesetz vorgestellt. Das Gesetzespaket mit 120 Maßnahmen wurde vom Kabinett beschlossen, um Verwaltung, Wirtschaft und Bürgerinnen und Bürger spürbar zu entlasten. mehr...

Berliner Rathaus, daneben der Fernsehturm

Berlin: Schritte zur Verwaltungsreform

[14.10.2025] Mit einem ressortübergreifenden Vorgehen startet Berlin die Umsetzung seiner umfassenden Verwaltungsreform. Ziel ist eine einheitlich gesteuerte, moderne Verwaltung: mit klaren Zuständigkeiten, digitaler Infrastruktur und mehr Transparenz über Vorschriften und Prozesse. mehr...

Schleswig-Holstein: Tempo für die Digitalisierung – per Gesetz

[13.10.2025] Mit einem Digitalisierungsbeschleunigungsgesetz will Schleswig-Holstein vollständig digitale Verwaltungsprozesse, ein Datendoppelerhebungsverbot und eine Pflicht zur elektronischen Registerführung einführen. Der Entwurf geht jetzt in die Verbändeanhörung. mehr...

Dr. Karsten Wildberger , Bundesminister für Digitales und Staatsmodernisierung hält seine Keynote auf der SCCOn 2025
bericht

BMDS: „Wir haben Wildwuchs entwickelt.“

[07.10.2025] Bundesdigitalminister Karsten Wildberger stellte auf der Smart Country Convention in Berlin die Modernisierungsagenda der Bundesregierung vor. Als deren dickstes Brett bezeichnete er die Verwaltungsdigitalisierung. mehr...

NKR-Jahresbericht 2025: Klarer Kurs Richtung Bürokratieabbau

[07.10.2025] Der Nationale Normenkontrollrat hat Bundesdigitalminister Karsten Wildberger seinen Jahresbericht 2025 übergeben. Das Gremium sieht Fortschritte beim Bürokratieabbau, warnt aber vor neuen Belastungen. Für echten Wandel fordert es verbindliche Standards und klare politische Steuerung. mehr...

Porträt des NKR-Vorsitzenden Lutz Goebel vor dunklem Hintergrund.

NKR: Die Modernisierungsagenda ist erst der Anfang

[06.10.2025] Der Nationale Normenkontrollrat drängt in einem Statement zur jüngst beschlossenen Modernisierungsagenda des Bundes auf eine politisch klar gesteuerte Umsetzung. Nur so ließen sich Bürokratieabbau, Verwaltungsreformen und föderale Abstimmung wirksam erreichen. mehr...

Bund/Länder: Föderale Modernisierungsagenda soll kommen

[06.10.2025] Bund und Länder wollen bis Dezember eine Föderale Modernisierungsagenda erarbeiten, welche die Modernisierungsagenda des Bundes ergänzt. Auf dem Bund-Länder-Panel der SCCON betonten Vertreterinnen und Vertreter beider Ebenen die Bedeutung gemeinsamer Pilotprojekte und engen Austauschs. mehr...

Screenshot aus dem Dashboard Digitale Verwaltung

Bayern: Digitalstrategie wirkt

[06.10.2025] Bayerns Kommunen liegen in puncto Digitalisierung bundesweit vorne. Das zeigt das Dashboard Digitale Verwaltung, wo der Freistaat die ersten 50 Plätze belegt und auch die Top 100 dominiert. Das Digitalministerium führt dies unter anderem auf die zentral bereitgestellten BayernPackages zurück. mehr...

Blick über an einen langen Tisch, an dem Regierungsmitglieder sitzen.

Bund: Fahrplan für den modernen Staat

[02.10.2025] Die Bundesregierung hat ihre Modernisierungsagenda als einen bindenden Fahrplan mit klaren Fristen und Monitoring beschlossen. Über 80 Maßnahmen in fünf Handlungsfeldern sollen Bürokratie abbauen und Bürger, Unternehmen wie auch die Verwaltung selbst entlasten. mehr...

Ein Tortendiagramm zeigt den Umsetzungsstand digitaler Vorhaben in Bundesministerien, führend ist das Digitalministerium.

Bitkom: Neuer Monitor Digitalpolitik

[30.09.2025] Mit seinem neuen Monitor Digitalpolitik stellt der Bitkom einen Statusbericht zur Digitalpolitik bereit. Das erste Fazit: Das Digitalministerium zeigt Wirkung – aber mehr als die Hälfte der digitalpolitischen Vorhaben dieser Legislatur wartet noch auf den Startschuss. mehr...

Notebook auf gelber Tischplatte, darauf liegen Bündel von Euro-Scheinen in variierter Stückelung.

Bitkom: Digitalisierung vor Ort voranbringen

[30.09.2025] Mit Blick auf die heute beginnende Kabinettsklausur legt der Bitkom eine Modernisierungsagenda für Staat und Verwaltung vor. Sie fordert eine Föderalismusreform und verbindliche IT-Standards, um Bund und Kommunen zu engerer Zusammenarbeit bei der Verwaltungsdigitalisierung zu verpflichten. mehr...