Schleswig-HolsteinIT-Vorreiter aus dem Norden

[09.05.2019] IT-Kooperationen über Verwaltungsgrenzen hinweg und das Sichern der digitalen Souveränität – diese höchst aktuellen Themen haben in Schleswig-Holstein tiefe Wurzeln in der Vergangenheit. Ein Beitrag von Dataport-Chef Johann Bizer.
50 Jahre IT in Schleswig-Holstein: vom Großrechner zum Twin Data Center.

50 Jahre IT in Schleswig-Holstein: vom Großrechner zum Twin Data Center.

(Bildquelle: Dataport)

Selten war die Notwendigkeit zur Zusammenarbeit größer als gegenwärtig bei der Digitalisierung von Verwaltungsleistungen. IT-Dienstleister Dataport ist mit seinen Trägern aus mehreren Bundesländern und den Kommunen aus Schleswig-Holstein ein Inbegriff der IT-Kooperation. Die Zusammenarbeit über Verwaltungsgrenzen hinweg wurde 1968 mit der Datenzentrale Schleswig-Holstein (DZ) begründet (wir berichteten), die ausdrücklich zur IT-Unterstützung der Verwaltung von Land und Kommunen errichtet wurde. Diese Entscheidung war seinerzeit visionär. Denn wer konnte 1968 ahnen, wie tief der Computer den Verwaltungsalltag einmal durchdringen und zu welchen verwaltungsübergreifenden Verflechtungen das führen würde? Ende der 1960er-Jahre hatte die Verwaltung noch recht überschaubare Anforderungen an die IT: Eine Rationalisierung bei der Berechnung von Statistiken oder Löhnen war das Ziel für den Einsatz von Großrechnern.
Aber noch in anderer Hinsicht legte Schleswig-Holstein damals einen Standard, der heute in der öffentlichen IT selbstverständlich ist: Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der DZ wurden sicherheitsüberprüft und auf die Einhaltung des Datengeheimnisses eingeschworen. Schleswig-Holstein hatte damals schon erkannt, dass die Sicherheit zu den unverrückbaren Grundlagen für den IT-Einsatz in der Verwaltung gehört. Und bereits 1977, als Einwohnermeldedaten für die Terrorabwehr eine große Rolle spielten und der Begriff Datenschutz noch weitgehend unbekannt war, hatte die schleswig-holsteinische DZ einen eigenen Datenschutzbeauftragten. Heute gehört das Sichern der digitalen Selbstbestimmung zu den Basics der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung.

Siegeszug von PC und Internet

Disruptive Entwicklungen in der Informationstechnologie sorgten mehrfach für gewaltige Veränderungen in der Verwaltungsarbeit. Die Massendatenverarbeitung auf Großrechnern war bis zu Beginn der 1980er-Jahre die Lösung für eine überschaubare Zahl von Aufgaben: Einwohnermeldedaten etwa oder die Bearbeitung von Massenfällen wie Ordnungswidrigkeiten boten sich an. Gegen Ende der 1970er-Jahre gab es in Schleswig-Holstein dann erste Ansätze für eine Kombination aus dezentralem und zentralem IT-Einsatz. Das Einheitliche Datenerfassungs- und Bearbeitungssystem EDDA ermöglichte erstmals eine Arbeitsteilung zwischen Kommunen und zentralem Rechenzentrum.
Mit dem Siegeszug des Personal Computers in den 1980er-Jahren erweiterten sich die Einsatzmöglichkeiten der IT gewaltig. Bürokommunikationssoftware machte Schreibdienste oft überflüssig, die Verwaltungsmitarbeiter wurden zu Anwendern von Software. Auch kleine Aufgaben ließen sich mit dem PC standardisieren und vereinfachen. Datenspeicherung war dezentral und ohne großen Aufwand möglich. Spezial-Software in Netzwerken erlaubte eine Zusammenarbeit auf elektronischem Wege. Egal ob im Landesministerium oder in der Amtsverwaltung auf dem Land – der PC wurde binnen weniger Jahre zum zentralen Werkzeug der Verwaltung.
Die rasante Entwicklung des Internets seit Mitte der 1990er-Jahre sorgte für die nächste einschneidende Veränderung in der Verwaltungsarbeit. Das Netzwerk für die Zusammenarbeit in der Verwaltung umfasste nicht mehr nur die eigene Dienststelle, sondern die ganze Welt. Die E-Mail wurde nach und nach zum wichtigsten Kommunikationsmedium in der Verwaltung. Über das Landesnetz wurden Zusammenarbeit und IT-Kooperationen möglich, die es zuvor nicht gegeben hatte. Das Tempo des Informationsaustausches vervielfältigte sich. Verwaltungen waren nun im Web präsent, und die Bürger forderten zunehmend, dass die Verwaltung auch online erreichbar ist und sie ihre Amtsgeschäfte elektronisch erledigen können.

OZG und digitale Daseinsvorsorge als Chancen

Die Metamorphose der Verwaltung wird stetig weitergehen und das Tempo der Veränderung weiter steigen. Gerade Flächenländer wie Schleswig-Holstein stehen vor gewaltigen digitalen Herausforderungen und Chancen. Eine davon ist die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) bis Ende 2022. Um bis dahin Online-Dienste in großem Umfang bereitstellen und als Standortfaktor nutzen zu können, ist Kooperation in noch größerer Tiefe gefragt. Schleswig-Holstein ist hier gut aufgestellt: Mit der Online Service Infrastruktur (OSI) besteht gemeinsam mit anderen Bundesländern eine geeignete Plattform, über Dataport wird in einem Netzwerk agiert, das nutzerorientierte Online-Dienste in hoher Stückzahl entwickelt und bereits vorhandene Dienste für alle nutzbar macht.
Die zweite große Herausforderung, der sich Schleswig-Holstein stellt, ist die digitale Daseinsvorsorge und die Gestaltung digitaler Räume. Zur Daseinsvorsorge gehört zum Beispiel die Breitband-Versorgung. Das norddeutsche Bundesland hat sich frühzeitig auf den Weg gemacht, um in der Fläche breitbandiges Internet zur Verfügung zu stellen. Mit der zunehmenden Vernetzung erweitern sich auch die Dimensionen der Daseinsvorsorge. Längst geht es nicht mehr nur um digitale Kommunikation über das Internet. Es eröffnen sich ganz neue Felder: Gesundheit (E-Health, Telemedizin), Bildung (E-Learning, Online-Schulverwaltung), Nahverkehr (E-Mobility, Sharing-Modelle, Mobilitätsplattformen, autonomes Fahren, IoT-basierte Verkehrssteuerung) oder Kultur (E-Culture mit Augmented und Virtual Reality). Am Ende steht die intelligente Verknüpfung von allem: ein datengetriebenes Gemeinwesen. Dazu gehören auch digitale Ökosysteme, in denen Unternehmen, Forschung und Interessengruppen gut vernetzt sind. All das trägt dazu bei, dass nicht zuletzt ländliche Räume im digitalen Zeitalter große Chancen haben.

Digitale Souveränität sichern

Damit auch in Flächenländern wie Schleswig-Holstein alle Bürger gleichermaßen an der Gesellschaft teilhaben können und das Gemeinwohl den Kern jeder Entwicklung bildet, dürfen wir die Entwicklung nicht den großen internationalen Unternehmen überlassen – Bund, Länder und Kommunen müssen sie gemeinsam gestalten. Staat und Gesellschaft müssen ihre digitale Souveränität sichern. Sie müssen die Hoheit über ihre Daten behalten. Das geht nur, wenn der Staat die vollständige Steuerung von gemeinsamen Plattformen behält. Diese Plattformen als Rückgrat der digitalen Gesellschaft müssen deshalb in öffentlich-rechtlicher Hand bleiben.
Digitale Daseinsvorsorge im Flächenland und Sichern digitaler Souveränität – auf diesen Feldern hat Schleswig-Holstein auch in Zukunft Chancen, weitere Akzente in der IT-Landschaft zu setzen, so wie es das Land in den vergangenen 50 Jahren schon mehrfach getan hat.

Dr. Johann Bizer ist Vorstandsvorsitzender der Dataport AöR.




Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Panorama
Drei Frauen sitzen vor einem Plakat mit der Aufschrift "Arbeit neu gestalten"

Work4Germany: Fellowship für einen zukunftsfähigen Staat

[15.12.2025] Digitalisierung bedeutet nicht nur die Einführung neuer Technologien – sie verändert auch die Zusammenarbeit. Mit seinem Fellowship Programm Work4Germany möchte der DigitalService neue Arbeitsweisen in der Bundesverwaltung verankern. Die Bewerbungsfrist für den nächsten Durchgang startet jetzt. mehr...

Größere Menge von blauen, runden Aufklebern mit der Aufschrift "Servicestandard hilft", die auf einer weißen Tischplatte liegen.

Standardisierung: Standardverordnung Onlinezugang praktisch umsetzen

[12.12.2025] Im Juni hat der IT-Planungsrat die Standardverordnung Onlinezugang beschlossen, die im Oktober in Kraft getreten ist. Damit werden verbindliche Qualitätsanforderungen formuliert, welche die Verwaltung mit ihren digitalen Angeboten einhalten muss. DIN SPEC 66336 und der Servicestandard helfen, diese Vorgaben umzusetzen. mehr...

Person mit Laptop auf dem Sofa

Bitkom-Befragung: Digitalpolitik ist den Deutschen wichtig

[02.12.2025] Eine neue Bitkom-Befragung zeigt: Die meisten Menschen wollen endlich einfache Online-Behördengänge. Auch Datenschutz, digitale Teilhabe und mehr Sicherheit im Netz zählen zu den wichtigsten Anliegen. Digitalpolitik ist für viele von großer Bedeutung. mehr...

Gruppenfoto mit sechs Personen

Gesetzgebung: Praxisaustausch zum Digitalcheck

[01.12.2025] Im November fand zum zweiten Mal das Bund-Länder-Treffen zum Digitalcheck statt, auch Vertreterinnen und Vertreter der Europäischen Kommission waren dabei. Die Teilnehmenden tauschten sich über Erfahrungen und Chancen praxis- und digitaltauglicher Gesetzgebung aus. mehr...

Gruppenfoto der Mitglieder des Kompetenzteams Datenschutz des IT-Planungsrats.

IT-Planungsrat: Klausur des Kompetenzteams Datenschutz

[19.11.2025] Das Kompetenzteam Datenschutz – eines von drei Arbeitsformaten innerhalb des vom IT-Planungsrat strategisch vorangetriebenen Schwerpunkts Datennutzung – traf sich in Hamburg, um die Weichen für das Jahr 2026 zu stellen. mehr...

Karsten Wildberger am Messestand der eWA.

BMDS: Digitale Wohnsitzanmeldung als Erfolgsmodell

[18.11.2025] Rund 55 Millionen Bundesbürger haben Zugriff auf den Onlinedienst „elektronische Wohnsitzanmeldung“, um sich nach einem Umzug ohne Amtsbesuch umzumelden. Das BMDS sieht dies als Beleg, dass „Einer für Alle“ die beste Lösung für schnelle Flächendeckung ist. mehr...

Rauchende Schornsteine auf einem Hausdach vor blauem Himmel

Bayern: Kehrbuchdaten digital abrufen

[17.11.2025] Die sogenannten Kehrbuchdaten – Aufzeichnungen des Schornsteinfegers über seine Tätigkeiten in einem bestimmten Gebiet – können bayerische Kommunen künftig digital und an zentraler Stelle abrufen. mehr...

Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (li.) und Bundesdigitalminister Karsten Wildberger vor einer Werbewand für die neue App.

BMV: Nie mehr den Kfz-Schein suchen

[11.11.2025] Mit der neuen i-Kfz-App erreicht die Digitalisierung von fahrer- und fahrzeugbezogenen Papieren eine weitere Etappe: Bürgerinnen und Bürger können ihren Fahrzeugschein nun digital auf dem Smartphone mitführen – rechtlich anerkannt und jederzeit abrufbar. mehr...

Wehende Brandenburg-Flagge mit dem Landeswappen, das einen Adler zeigt.

Brandenburg: Neuer Standort für die DigitalAgentur

[10.11.2025] Die DigitalAgentur Brandenburg spielt eine zentrale Rolle bei der Digitalisierung des Landes – und ist ein wichtiges Bindeglied zwischen Ressorts, Landesverwaltung, Kommunen und externen Partnern. Nun hat sie ihren neuen Standort in Babelsberg bezogen. mehr...

Hände und Torso einer mutmaßlich weiblichen Person, die mit nachdenklicher Pose ein Smartphone hält.

Thüringen: App für Beratung und mehr Sicherheit

[05.11.2025] Thüringen testet in seiner Erstaufnahmeeinrichtung in Suhl die App Saba, mit der psychosoziale Belastungsfaktoren bei Geflüchteten frühzeitig erkannt werden sollen. Das Modellprojekt will Schutzbedarfe systematisch erfassen und gezielte Hilfe schneller verfügbar machen. mehr...

Schlfendes Baby, im Vordergrund hält eine Hand in Smartphone

Once Only: Entlastung beim Elterngeldantrag

[30.10.2025] Noch in diesem Jahr soll bundesweit eine Lösung zur Verfügung stehen, die Elterngeldstellen den elektronischen Abruf von Einkommensteuerdaten direkt vom zuständigen Finanzamt erlaubt. Entwickelt wurde diese im Rahmen des Verbundprojekts Konsens. mehr...

Durch Hochwasser verschlammter Fußboden in einem Haus, eine Person mit Gummistiefeln macht sauber.

Nordrhein-Westfalen: Innovative Technik für den Hochwasserschutz

[27.10.2025] Durch die Erderwärmung nehmen Starkregen- und Hochwasserereignisse zu. Das Land Nordrhein-Westfalen erprobt in einem Modellvorhaben dichte Sensornetze und Künstliche Intelligenz, um die Wasserstände auch kleinerer Gewässer zu beobachten und zu prognostizieren. mehr...

Hauptsitz des ITZBund in Bonn – Blick aus der starken Froschperspektive auf die ockerfarbene Klinkerfassade und Messingschild mit Bundesadler.

ITZBund: IT-Dienstleister des Bundes mehrfach ausgezeichnet

[27.10.2025] Mehrere renommierte Auszeichnungen würdigen die Arbeit des ITZBund. Für Open-Source-Initiativen, nachhaltige Softwareentwicklung und nutzerfreundliche Weblösungen wurde der IT-Dienstleister auf gleich mehreren Fachveranstaltungen prämiert. mehr...

Alte Frau im Rollstuhl hält die Hand einer Pflegefachkraft

Baden-Württemberg: Digitale Transformation der Pflege

[24.10.2025] Baden-Württemberg will die digitale Transformation der Pflege gezielt vorantreiben. Welche Maßnahmen konkret geplant sind, wurde in einer Erklärung zur Digitalisierung in der Langzeitpflege festgelegt, die gemeinsam mit allen relevanten Akteuren im Land erarbeitet wurde. mehr...

Baden-Württembergs Landes-CIO Stefean Krebs

Baden-Württemberg: Stefan Krebs ist CIO des Jahres 2025

[23.10.2025] Der Chief Information Officer der Landesverwaltung Baden-Württemberg, Stefan Krebs, wurde als „CIO des Jahres“ im Bereich Public Sector ausgezeichnet. Insbesondere bei KI hat die Landesverwaltung in den vergangenen Jahren bedeutende Schritte unternommen. mehr...